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und zuletzt zu den unsterblichen Göttern erhoben werden. Herkules
wuchs zu einem schönen Jünglinge heran, er hatte gelernt, den
Speer zu schleudern, mit dem Pfeile zu treiben und mit der Keule
gewaltige Schläge zu versetzen.
Da verliess er die Heimat und wanderte hinaus in die weite
Welt. Er kam in eine einsame Gegend und wusste nicht, welchen
Weg er einschlagen sollte. Plötzlich standen zwei Frauen vor
ihm; jede forderte ihn auf, ihr zu folgen. Die eine war mit
reichem Putze geschmückt, die andere einfach und ehrbar gekleidet.
Jene war das Laster, diese die Tugend. Jene verhiefs ihm Reich
tum und ein Leben ohne Mühe und Arbeit; die Tugend aber sagte :
„Wenn du mir folgst, wird dein Leben ein mühevolles sein, viele
Feinde werden dir den Untergang drohen, und schwere Kämpfe
wirst du zu bestehen haben. Aber von den Göttern wirst du ge
liebt werden, denn du wirst den Menschen ein WMitthäter und
deinem Vaterlande ein treuer Helfer sein. Noch späte Geschlechter
werden dankbar deinen Namen nennen und dein Andenken segnen."
So stand Herkules am Scheidewege. Aber nach kurzem Besinnen
wies er das Weib im Flitterputze von sich, folgte der Tugend
und erfüllte gar bald die Welt mit dem Ruhme seiner Thaten.
Schillmann.
22. Sprichwörter.
1. Zusammengezogene Sätze. Salz und Brot macht die
Wangen rot. — Ändern und Bessern ist zweierlei. — Tanzen, Karten
spiel und Wein reißen große Häuser ein. — Versprechen und Halten steht
wohl bei Jungen und Alten. — Ein frohes Herz, gesundes Blut ist besser
als viel Geld und Gut.
Mancher geht nach Wolle aus und kommt geschoren wieder nach Haus.
— Die Zunge hat kein Bein, schlägt aber manchem den Rücken ein.
Armut hat bittere Wurzel, aber süße Frucht. — Gott gibt wohl die
Kuh, aber nicht den Strick dazu.
Am Giebel und am Dach kennt man des Wirtes Hausgemach. —
Zwischen Löffel und Gaum' ist ein weiter Raum. — Für Gotteswort
und Vaterland nimmt man mit Fug das Schwert zur Hand. — Mit
Geduld und Zeit wird 's Maulbeerblatt zum Seidenkleid.
2. Zusammengesetzte Sätze. Der Mensch denkt, Gott lenkt.—
Anfangen ist leicht, Beharren ist Kunst. — Mit vielem hält man haus,
mit wenigem kommt man auch aus. — Alte soll man ehren, Junge soll
man lehren, Weise soll man fragen, Narren soll man ertragen. — Bettel
brot ist bittre Not, Diebesbrot bringt Galgentod, aber Arbeit segnet
Gott. — Wahr ist wahr, und Licht ist Licht; aber Blinde sehen nicht. —
Jedem Narren gefällt seine Kappe wohl; drum ist das Land der
Narren voll.
Wer sucht, der findet. — Wer gut schmiert, der gut fährt. — Wer
leicht glaubt, wird leicht betrogen. — Wer nicht hören will, muß fühlen.
— Wer andern eine Grube gräbt, fällt selbst hinein. — Wer ein gläsern
Dach hat, muß andere nicht mit Steinen werfen. — Wer die Leiter
Deutsches Lesebuch. Ausgabe 6. V. Teil. 2