Full text: V. Teil (5. Teil, 1889)

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schlechtes Dorf kommen, wenn er nicht mehr darin bekommt, als er unter 
wegs an den Sohlen zerreißt, zumal wenn er barfuß geht. Unser Pil 
grim aber dachte doch immer darauf, sobald als möglich wieder an die 
Landstraße zu kommen, wo reiche Häuser stehen und gut gekocht wird. 
Denn der Halunke war nicht zufrieden, wie ein rechter Pilgrim sein soll, 
mit gemeiner Nahrung, die ihm von einer mitleidigen und frommen Hand 
gereicht wurde, sondern wollte nichts essen, als nahrhafte Kieselstein 
suppen. Wenn er nämlich irgendwo so ein braves Wirtshaus an der 
Straße stehen sah, wie zum Exempel das Posthaus in Krotzingen, oder 
den Baselstab in Schliengen, so ging er hinein und bat ganz demütig 
und hungrig um ein gutes Wassersüpplein von Kieselsteinen, um Gottes 
willen, Geld habe er keines. — Wenn nun die mitleidige Wirtin zu ihm 
sagte: „Frommer Pilgrim, die Kieselsteine konnten euck hart im Magen 
liegen!" so sagte er: „Eben deswegen! die Kieselsteine halten länger an, 
als Brot, und der Weg nach Jerusalem ist weit. Wenn ihr mir aber 
ein Glaslein Wein dazu bescheren wollt, um Gotteswillen, so konnt ich's 
freilich besser verdauen." Wenn aber die Wirtin sagte: „Aber, frommer 
Pilgrim, eine solche Suppe kann euch doch unmöglich Kraft geben, so 
antwortete er: „Ei, wenn ihr anstatt des Wassers wolltet Fleischbrühe dazu 
nehmen, so wär's freilich nahrhafter." Brachte nun die Wirtin eine solche 
Suppe und sagte: „Die Tünklein sind dock nicht gar so weich geworden," 
so sagte er: „Ja, und die Brühe sieht gar dünn aus. Hättet ihr nicht 
ein paar Gabeln voll Gemüs darin ober ein Stücklein Fleisch oder 
beides?" Wenn ihm nun die mitleidige Wirtin auch noch Gemüs und 
Fleisch in die Schüssel legte, so sagte er: „Bergelt's euch Gott! Gebt mir 
jetzt Brot, so will ick die Suppe essen." Hierauf streifte er die Ärmel 
seines Pilgergewandes zurück, setzte sich und griff an das Werk mit 
Freuden, und wenn er Brot und Wein und Fleisch und Gemüs und die 
Fleischbrühe aufgezehrt hatte bis auf den letzten Brosamen, Faser und 
Tropfen, so wischte er den Mund am Tischtuch oder an dem Ärmel ab 
oder auch gar nicht und sagte: „Frau Wirtin, eure Suppe hat mich 
rechtschaffen gesättigt, so daß ich die schönen Kieselsteine nicht einmal mehr 
zwingen kann. Es ist schade dafür! Aber hebt sie aus. Wenn ich wieder 
komme, so will ich euch eine heilige Muschel mitbringen von dem Meeres 
strand von Ascalon oder eine Rose von Jericho." ' Hebel. 
18. Aufgelöste Rätselfragen. 
Welch' Gold entstammt dem Erdschacht nicht? 
Ich hörte vom goldenen Sonnenlicht. 
Wer borgt sein Silber von fremdem Gold? 
Der Mond, der ob unsern Häuptern rollt. 
Wo quillt die Thrän' aus härtester Brust? 
Der Quell im Fels ist mir wohlbewußt. 
Wo strömt ein Strom, da kein Strombett ist? 
Der Regenstrom, der in Säften fließt.
	        
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