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sind mit vielen kostbaren Bildern geschmückt, von denen zwei seine Mutter, ^
die Königin Luise, darstellen. An das Arbeitszimmer schließt sich die
Bibliothek und an diese das Schlafzimmer. Die Kaiserin hatte dieselben
Räumlichkeiten eine Treppe hoch inne. Während des Frühlings hielt sich
der Kaiser gern in dem Schlosse Babelsberg bei Potsdam auf. In dem
prächtigen Parke ging er dann oft spazieren und zwar mit einem ein
fachen Stocke, den er sich selbst geschnitten. Seine Arbeitsstube liegt hier
eine Treppe hoch. Tapeten, Teppiche und Vorhänge haben alle die blaue
Farbe der Kornblumen, der Lieblingsblumen der verstorbenen Mutter.
Das Schlafzimmer ist sehr eiufach. Die eiserne Bettstelle gleicht einem
Feldbette; ein schwarzweißes Tuch liegt darüber ausgebreitet, und ein
Betthimmel umgibt die Lagerstätte. Vor derselben steht ein Stuhl aus
weißem Holze; derselbe ist von dem Kronprinzen, dem nachmaligen Kaiser
Friedrich III., angefertigt. Alle preußischen Prinzen müssen nämlich in
ihrer Jugend ein Handwerk erlernen; der Kronprinz wählte das Tischler
handwerk.
Der Kaiser besaß eine sehr reiche Garderobe. Er hatte von jedem
Garde- und Leibregiment, sowie von verschiedenen Regimentern anderer
Länder eine Uniform. Während seines Aufenthalts in Badeörtern trug
er gewöhnlich einen Zivilanzug und einen hohen schwarzen Hut. Auf
seinen Spazierfahrten benutzte er einen Mantel, der ihm schon beinahe
25 Jahre gedient hatte, und doch mochte er sich noch nicht von ihm
trennen. Einen Schlafrock besaß der Kaiser nicht. Er stand frühzeitig
auf. sobald er sein Arbeitszimmer betrat, nahm er den Erinnerungs
kalender zur Hand, der ihm die Erlebnisse früherer Jahre an dem be
stimmten Tage ins Gedächtnis zurückrief. Bald erschien ein Vorleser mit
den Zeitungen, und später setzte sich der Kaiser an seinen Schreibtisch,
um die Regierungsgeschäfte zu erledigen. Dann traten seine Räte und
Minister ein und hielten ihm Vorträge über die verschiedensten Angelegen
heiten des Landes. Gegen Mittag wurden Audienzen erteilt, darauf
unternahm er gewöhnlich eine Spazierfahrt, und um 4 Uhr begann das
Diner, zu welchem die in Berlin anwesenden Fürsten oder hohen Staats
beamten öfters befohlen wurden. Am Abend besuchte der Kaiser gern
die Oper; nach Beendigung derselben arbeitete er noch etwas und ging
in der Regel um 11 Uhr zu Bette.
Wilhelm I. war Soldat mit Leib und Seele, und wenn seine
Truppen ins Feld rückten, dann war er ihr Führer und teilte mit ihnen
die Mühen und Gefahren des Krieges. An Schlachttagen folgte er meist
zu Pferde dem Gange der Ereignisse, und mehr als einmal geriet er
dabei in Lebensgefahr. Besonders rührend war seine Teilnahme für die
Verwundeten. Sehr oft besuchte er die Lazarette und erkundigte sich
genau bei den Kranken, ob es ihnen auch nicht an Pflege und Erquickung
fehlte, ging von Bett zu Bett und sprach in freundlichster Weise mit jedem
einige Worte. Einmal kam er an das Bett eines Musketiers und fing
ein Gespräch mit ihm an. Dabei äußerte der Kranke: „Heute werde ich
24 Jahre alt. O, wie freue ich mich, heute meinen König zu sehen!"
Der König reichte ihm freundlich die Hand; und als der Musketier gegen
Abend sanft eingeschlummert war, legte ihm ein Leibjäger des Königs
heimlich eine goldene Uhr nebst Kette auf sein Bett. Seine Freude beim