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13. Die Nebelmäntel schleiften
langhin am Bergessaum,
die Wolkenschuhe streiften
der Wälder Wipfel kaum.
14. Und wo zur letzten Strecke
sich das Gebirg verzweigt,
als Hüter an der Ecke
die Z o l l e r n b u r g aufsteigt —
15. Da schien der Zug zu halten;
im letzten Mondenschein
zerflossen die Gestalten
zu grauen Wolkenreih'n.
16. Mir schien's, die Fürsten legen
am Berg die Kronen hin,
mir war's, die Geister flögen
wie segnend rings um ihn.
17. Und wie ich stand und lauschte,
kühl streifte mir's das Haar,
ein Morgenwehen rauschte,
aufstieg das junge Jahr.
18. Und allgemach im vollern,
im klaren Tageslicht
erhub der Ho'henzollern
erwachend sein Gesicht.
19. Den Kaiserpurpur legte
das Morgenrot ihm an,
zu krönen ihn, bewegte
die Sonne sich heran.
20. Und bis hinab zum Staufen
mit Hellem Rosenschein
begann's zu überlaufen
die grauen Bergesreih'n.
21. Ein Adler thät sich wiegen,
die Schwingen ausgespannt,
mit stolzen Wendeflügen
hoch ob dem deutschen Land.
22. Und rings im Land erklangen
die Gloften allzugleich,
den Segen zu empfangen
fürs deutsche Kaiserreich.
Gerok.
181. Rotbarts Testament.
1. Jm alten Berg Kyffhäuser, dort im Thüringer Land,
da schläft der Kaiser Friedrich, der Rotbart beibenannt.
2. Er sitzt an seinem Tische und träumet schwer und bang:
„Mein Deutschland, o mein Deutschland, der Bart wächst gar so lang!"
3. Da horch! es hallt und dröhnet, es bebt der alte Turm:
„Das ist kein Ungewitter, das ist ein andrer Sturm!"
4. Der Kaiser Friedrich recket sich aus dem Schlaf und spricht:
„Wo bleiben denn die Raben? die Raben fliegen nicht!"
5. „Erwache, alter Kaiser, gekommen ist die Zeit
von Deutschlands Ruhm und Größe, von Deutschlands Einigkeit!"
6. Der Kaiser hat vom Golde die Rüstung angethan,
und mit gewaltigem Schritte steigt er den Berg hinan.
7. Und wie er sieht die Heere ans allen deutschen Gau'n —
mit Thränen in den Augen, er mag sich selbst kaum traun —
8. Und sieht sie zu einander einmütig alle stehn,
um für die deutsche Sache in Kampf und Tod zu gehn —
9. Und wie er hört die Lieder: „Fest steht die Wacht am Rhein!"
und: „Deutschland über alles!" — „Ganz Deutschland soll es sein!" —
10. Und wie er sieht den Alten, den königlichen Greis,
da ruft er: „Deutschland einig! Dem Herrn sei Lob und Preis!
11. Nun kann ich selig schlafen, und hier mein Testament:
Das Zepter und die Krone leg' ich in deine Händ'!"
Költsch.