Full text: V. Teil (5. Teil, 1889)

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einen ruhigen, heiteren Lebensabend bereitet habe. Der Anblick der 
sinkenden Sonne weckte die Hoffnung in ihm: „Wie du, o mildthätige 
Sonne, so sinke ich, um nicht zu erlöschen, sondern um fortzuwirken und 
fortzuleuchten in einem andern Teile des grossen Reiches meines himm 
lischen Vaters. Ihm befehle ich meinen Leib und meinen Geist.“ So 
sprach er, und sein heiteres Auge schloss sich; still betend schlief er ein 
und gab seinen Geist dem Gotte zurück, dessen Herrlichkeit in der Abend 
sonne zu schauen seine letzte Erdenfreude gewesen war. hinter. 
161. Das Lächeln im Tode. 
Ein frommer Greis war dem Tode nahe, und seine Kinder und 
Enkel standen um sein Sterbebett. Er schien jetzt zu schlafen und lächelte 
dreimal mit geschlossenen Augen. Als er die Augen wieder öffnete, fragte 
einer seiner Söhne, warum er denn dreimal gelächelt habe? 
Der fromme Greis sagte: „Das erste Mal gingen alle Freuden 
meines Lebens vor mir vorüber, — und ich mußte lächeln, daß die 
Menschen dergleichen Seifenblasen für etwas Wichtiges ansehen können. 
Das zweite Mal erinnerte ich mich an alle Leiden meines Lebens 
— und freute mich, daß sie nun für mich ihre Dornen verloren haben, 
und daß die Zeit da ist, wo sie mir Rosen bringen werden. 
Das dritte Mal gedachte ich des Todes und mußte lächeln, daß 
die Menschen diesen Engel Gottes, der sie von allen Leiden befreien und 
sie in die Wohnungen ewiger Freuden einführen will, so gar fürchten 
und scheuen können.'' ' Chr. Schmid. 
162. Macht der Musik. 
In der sogenannten französischen Zeit wurde die Stadt Schmal 
kalden so mit Einquartierung belegt, dass auch die Kirche zur 
Aufnahme von Soldaten dienen musste. Die wilde Bande hauste 
gar arg in der Kirche; es wurde Feuer angezündet und gekocht 
und gebraten wie im Biwak. Die Nachricht von dem Greuel 
der Verwüstung an heiliger Stätte drang auch zu den Ohren des 
Organisten an dieser Kirche. Der Mann hiess Vierling, und er 
war wegen seiner Fertigkeit im Orgelspiel weit und breit berühmt. 
Welch einen Schreck er beim G-edanken an seine liebe Orgel 
empfand, lässt sich leicht denken. Ohne sich lange zu besinnen, 
zieht er seinen Sonntagsrock an, setzt seine Perücke auf und eilt 
nach der Kirche, um zu versuchen, ob er die Soldaten nicht zur 
Schonung seiner Orgel vermögen könne. Dort angelangt, bietet 
er seine ganze Beredsamkeit auf, den kochenden Soldaten begreif 
lich zu machen, wie der Rauch schon höchst nachteilig für das 
kostbare Instrument sein müsse, wie aber von dem Feuer eine 
gänzliche Zerstörung seines Lieblingswerkes zu befürchten stehe, 
und mit demselben seine einzige Freude von der Erde verschwinde. 
Doch die hörten so wenig auf seine Worte wie ein Hungriger, dem 
Speise vorgestellt wird, auf die Anpreisung der Enthaltsamkeit und 
hantierten ganz gemütlich fort. So richtest du nichts aus, denkt
	        
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