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2. Die Hände auf dem Rücken, Andreas Hofer ging mit ruhig festen
Schritten, ihm schien der Tod gering, der Tod, den er so manches Mal
vom Iselberg geschickt ins Thal im heiligen Land Tirol.
3. Doch als aus Kerkergittern im festen Mantua die treuen Waffen
brüder die Händ’ er strecken sah, da rief er laut : „Gott sei mit euch,
mit dem verratnen deutschen Reich und mit dem Land Tirol!“
4. Dem Tambour will der Wirbel nicht unterm Schlägel vor, als nun
Andreas Hofer schritt durch das finstre Thor. Andreas, noch in Banden
frei, dort stand er fest in der Bastei, der Mann vom Land Tirol.
5. Dort soll er niederknieen. Er sprach: „Das thu’ ich nit; will
sterben, wie ich stehe, will sterben, wie ich stritt; so wie ich steh’ auf
dieser Schanz’; es leb’ mein guter Kaiser Franz, mit ihm sein Land
Tirol!“
6. Und von der Hand die Binde nimmt ihm der Korporal; Andreas
Hofer betet allhier zum letztenmal; dann ruft er: „Nun, so trefft mich
recht. Gebt Feuer! — Ach, wie schiefst ihr schlecht! Ade, mein Land
Tirol!“ Mosen.
158. Wilhelm Teil.
(Sage.)
Unter dem Kaiser Albrecht that Geßler, Landvogt zu Uri und
Schwyz, den Landleuten daselbst großen Zwang an, hielt sie streng und
hart und nahm sich vor, eine Feste in Uri zu bauen, damit er und andere
Landvögte nach ihm um so sicherer dort wohnen möchten, wenn Aufruhr
entstände, und auch das Land in desto größerer Furcht und in Gehorsam
erhalten würde. Er ließ also Steine, Kalk, Sand und Zimmerholz auf
einen bei Altorf, dem Hauptflecken, gelegenen Hügel führen und fing an,
den Bau ins Werk zu richten, und wenn ihn jemand fragte, wie die
Feste heißen werde, antwortete er: „Zwing Uri wird ihr Name sein."
Das verdroß die edeln Landsassen und gemeinen Landleute in Uri, und
als sie sich das merken ließen, wurde Geßler grimmig und drohte, er
wollte sie so weich und zahm machen, daß man sie um einen Finger
winden könnte.
Da ließ er zu Altorf am Platze bei der Linde, wo viele vorüber
gingen, eine Stange aufrichten, einen Hut oben darauf legen und gebieten,
dafi jeder, der vorüberginge, sich vor dem Hute neigen sollte, als ob der
König selbst zugegen wäre, widrigenfalls ihn Verlust seines Gutes und
Leibesstrafe treffen würde. Auch stellte er einen steten Wächter hin, der
diejenigen anzeigen sollte, welche dem Gebote nicht Folge leisteten. Dieser
große Uebermut drückte das Volk noch ärger als der Bau des Schlosses;
doch wagten sie aus Furcht vor des Kaisers Ungnade und gewaltiger
Macht keine Widersetzlichkeit. Da ging an einem Sonntage im November
ein redlicher, frommer Landmann, Wilhelm Dell genannt, an dem aufge
steckten Hute vorüber, ohne sich vor ihm zu neigen. Das ward dem
Landvogt angezeigt. Morgens darnach, am Montage, beruft er den Dell
vor sich und fragt, warum er seinem Gebote nicht gehorsam wäre und
dem Kaiser wie auch ihm zum Trotz sich vor dem Hute nicht geneigt hätte.
Tell gab zur Antwort: „Lieber Herr, es ist von ungefähr und nicht aus
Verachtung geschehen; ich dachte nicht, daß es Euer Gnaden so hoch