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er sich ein kleines Feldgut kaufen konnte. Eins der Volkmannschen Kinder
aber kam ins Waisenhaus zu Halle, welches der fromme August Hermann
Francke gestiftet hatte, der auch nicht sagte: „Was mich nicht brennt,
das blas' ich nicht!" v. Horn.
154. Deutschlands Erniedrigung.
Napoleons Stolz und Übermut kannte keine Grenzen. Sein Glücks
stern stieg immer höher, und es schien, daß er nur zum Sieger geboren
sei. Am 14. Oktober 1806 entbrannte die Schlacht bei Jena und Auer-
städt, wo die Preußen von der Übermacht gänzlich geschlagen wurden.
Gleich im Anfange des Treffens traf eine Kugel den Herzog von Braun
schweig ins rechte Auge, und ein anderer General mußte das Kommando
übernehmen. Es entstand eine allgemeine Verwirrung, und selbst der König
und die Königin von Preußen mußten fliehen, um nicht gefangen zu
werden. Sie eilten nach Königsberg. Das war der Anfang einer großen
Leidenszeit für unser geliebtes Vaterland. Viele der Anführer waren in
solchen Kleinmut verfallen, daß sie sich nicht schämten, das Schinipflichste
einzugehen. Feiglinge und Verräter öffneten willig die Thore der Festungen.
Nur Blücher wehrte sich wie ein braver Mann. Bis Lübeck wurde er
verfolgt; aber hier beschloß er auszuharren, bis er weder Pulver noch
Blei, noch Lebensmittel für Menschen und Vieh mehr hätte. Ünd er hielt
ritterlich Wort. Am 27. Oktober zog Napoleon schon in Berlin ein. Die
Kassen ließ er leeren, und alles, was ihm gefiel, wurde eingepackt und
nach Paris geschleppt. Zu dieser Zeit lag die edle Königin Luise am
Nervenfieber darnieder, und was sie gelitten, vermag ich euch, meine
Leser, nicht zu erzählen. Aber sie duldete wie eine Christin mit frommer
Ergebung und hatte den festen Glauben, daß Gott dem Menschen nicht
mehr Leiden zuschicke, als er tragen könne.
Am 7. und 8. Februar 1807 standen die Heere bei Ey lau in der
Provinz Preußen einander wieder gegenüber, und hier wurde die bltktigste
Schlacht geliefert. Über den frischen Schnee lief das Blut in Strömen.
Die Russen und Preußen fochten so tapfer, daß Napoleon nicht weiter
vordringen konnte. Aber die Kraft war auf beiden Seiten so erschöpft,
daß die Waffen 4 Monate ruhten. Nun geschah abermals eine Schlacht
bei Fried land. Neunzehn Stunden hatte man gekämpft, da loderte
Friedland in Flammen, und die Franzosen blieben Sieger. Alles hatte
der König von Preußen verloren, fast nichts von seinem Lande konnte er
sein nennen. Nur einige Festungen verteidigten sich brav. Als die
Franzosen dem Kommandanten von Graudenz, Courbiere*), sagen
ließen, er solle die Festung übergeben, denn der König von Preußen sei
geflüchtet und habe kein Land mehr, antwortete der brave Mann: „Nun,
so will ich versuchen, wie lange ich König von Graudenz sein kann!"
Graudenz wurde nicht erobert; ebensowenig Pillan und Kolberg. Endlich
war der König von Preußen gezwungen, zu Tilsit einen Frieden zu unter
zeichnen, der ihm 2 700 Quadratmeilen mit 5 Millionen Einwohnern und
140 Millionen Thaler kostete. Der edle König schrieb damals an seine
*) spr. Kurbiähr.