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denn er schenkte ihr das Lustschloß in Oranienburg, auf dem die letztere
so überaus segensreich gewaltet hatte. Helle Freude leuchtete aus den
großen blauen Allgen der Kronprinzessin Luise. Aber je froher sie dabei
war, desto mehr wünschte sie, auch andere zu erfreuen. Der König fragte
sie, ob sie noch einen Wunsch hätte. Da bat sie noch um eine Handvoll
Gold, um die Armen von Berlin ebenso froh machen zu können.
Lächelnd fragte Friedrich Wilhelm II.: „Wie groß denkt sich denn das
Geburtstagskind diese Handvoll Gold?" — „So groß wie das Herz
des gütigsten von allen Königen," war die Antwort; und nun wurde
den Armen eine reiche Spende zu teil. — Auch als Königin hielt Luise
stets daran fest, daß sich andre mit freuen mußten, wenn sie sich freute.
152. Breil ans die Flügel beide.
Am 14. September 1796 kamen schwere Schreckensstunden
über das hessische Städtchen Lisberg, das auf einer der waldigen
Vorhöhen des Vogelsberges liegt. Nachts zwischen 9 und 10 Uhr
rückten nämlich von der vor Erzherzog Karl auf der Flucht be
griffenen französischen Armee 500 Mann Fussvolk racheschnaubend
in das Städtlein ein, erschossen den alten, ehrwürdigen Pfarrer
des Orts, Ph. Jakob Koch, der um Gnade bittend ihnen entgegen
gegangen war, und zündeten dann, nachdem sie mehrere Stunden
lang gemordet, zerstört und geplündert hatten, die Stadt an allen
Ecken an, dass allein 58 Wohngebäude bis auf den Grund ab
brannten. Draussen aber vor dem Städtchen stand etwas abseits
am Abhange des Berges ein Häuschen, und in dem safs eine Mutter
am Krankenbette ihres Kindes. Aus Furcht, das Leben ihres Lieb
lings zu gefährden, wollte sie an dem rauhen Septembertage mit
demselben nicht in den Wald flüchten, wie die meisten Einwohner
thaten. Als nun aber das Schiessen und Morden im Orte begann,
und der Rauch von den brennenden Häusern vom Berge herab
über das Thal herunterzog, da ward es dem armen, verlassenen
Weibe zum Sterben angst; sie verriegelte die Thür des Häuschens
und warf sich betend neben der Wiege des Kindes nieder. So
lag sie eine Zeitlang, mit Zittern auf das Wutgeschrei der Soldaten
und auf das Weherufen der Gemifshandelten horchend, als auch
an ihre Thür mit einem Gewehrkolben gestofsen wurde. Diese,
alt und gebrechlich wie sie war, fuhr schnell auf, und mit ge
fälltem Bajonette stürzte ein Franzose wütend auf das er
schrockene Weib zu. Blass wie der Tod legte die Mutter ihre
Hände über das Kind, und mit der Stimme der Verzweiflung
betete sie den achten Vers aus dem Gerhardtschen Liede: Nun
ruhen alle Wälder
„Breit aus die Flügel beide,
o Jesu, meine Freude,
und nimm dein Küchlein ein!
Will Satan mich verschlingen,
so lass die Englein singen:
Dies Kind soll unverletzet sein.“