sagen wir sie dem alten Vater, und dieser nimmt sie mit in sein Gebet.
Da wissen wir unsere Sorge gut aufgehoben, und deshalb können wir
auch in unserer Armut zufrieden und glücklich sein."
Das ist eine Probe davon, was es heißt, die Eltern
lieb und wert haben. Möller.
8. Kindes Dank und Undank.
Man findet gar oft, wenn man ein wenig aufmerksam ist,
dass Menschen im Alter von ihren Kindern wieder ebenso be
handelt werden, wie sie einst ihre alten und kraftlosen Eltern
behandelt haben. Es geht auch begreiflich zu. Die Kinder lernen’s
von den Eltern; sie sehen’s und hÖren’s nicht anders und folgen
dem Beispiele. So wird es auf dem natürlichsten und sichersten
Wege wahr, was gesagt wird und geschrieben ist, dass der Eltern
Segen und Fluch auf den Kindern ruhe und sie nicht verfehle.
Man hat darüber unter andern zwei Erzählungen, von denen
die erste Nachahmung und die zweite grosse Beherzigung verdient.
Ein Fürst traf auf einem Spazierritt einen fleifsigen und
frohen Landmann bei dem Ackergeschäft an und liess sich mit
ihm in ein Gespräch ein. Nach einigen Fragen erfuhr er, dass
der Acker nicht sein Eigentum sei, sondern dass er als Tagelöhner
täglich um fünfzehn Kreuzer arbeite. Der Fürst, der für sein
schweres Regierungsgeschäft freilich mehr Geld brauchte und zu
verzehren hatte, konnte in der Geschwindigkeit nicht ausrechnen,
wie es möglich sei, täglich mit 15 Kreuzern auszureichen und noch
so frohen Mutes dabei zu sein, und verwunderte sich darüber.
Aber der brave Mann im Zwilchrock erwiderte ihm: „Es wäre
mir übel gefehlt, wenn ich soviel brauchte. Mir muss ein Dritteil
davon genügen; mit einem Dritteile zahle ich meine Schulden ab,
und das übrige Dritteil lege ich auf Kapitalien an.“ Das war
dem guten Fürsten ein neues Rätsel. Aber der fröhliche Land
mann fuhr fort und sagte: „Ich teile meinen Verdienst mit meinen
alten Eltern, die nicht mehr arbeiten können, und mit meinen
Kindern, die es erst lernen müssen; jenen vergelte ich die Liebe,
die sie mir in meiner Kindheit erwiesen haben, und von diesen
hoffe ich, dass sie mich einst in meinem müden Alter auch nicht
verlassen werden.“ War das nicht artig gesagt und noch schöner
und edler gedacht und gehandelt? Der Fürst belohnte die Recht
schaffenheit des wackern Mannes, sorgte für seine Söhne, und der
Segen, den ihm seine sterbenden Eltern gaben, wurde ihm im
Alter von seinen dankbaren Kindern durch Liebe und Unter
stützung redlich entrichtet.
Aber ein anderer ging mit seinem Vater, welcher durch Alter
und Kränklichkeit freilich wunderlich geworden war, so übel um,
dass dieser wünschte, in ein Armenspital gebracht zu werden, das
im nämlichen Orte war. Dort hoffte er, wenigstens bei dürftiger
Pflege von den Vorwürfen frei zu werden, die ihm daheim die
letzten Tage seines Lebens verbitterten. Das war dem undank