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denn! Bindet mich fest, und gebt acht!" Bald ist er drunten. Mit
rascher, geschickter Hand, hat er dem Brunnenmeister das Seil umge
schlungen. „Schnell zieht ihn auf!" ruft er, „und dann denkt an mich,
es ist.nicht zum Aushalten!" Aber die Stimme des Wackren klang schon
wie Ächzen und Röcheln. Der Brunnenmeister war droben am Licht,
leblos und braun wie ein Erstickter. Aber dem Peter drunten ist das
Rufen auch vergangen. Man spürt nur noch ein immer matter werdendes
Zucken am Seil und beginnt ihn eilig aufzuwinden. Wehe! — das Seil
löst sich, und Peter stürzt in die Tiefe. Ein Schrei des Entsetzens entfährt
den Männern am Brunnen. Und ein Jammer war's, die unterdes auch
herbeigeeilten Eltern Peters zu sehen, wie sie wehklagend und händeringend
baten, man möge doch Barmherzigkeit an ihnen thun und ihren Peter
aus dem giftigen Brunnen holen. Todesangst hatte alle gelähmt. Die
kostbaren Minuten verrannen, und der Unglückliche, der nun still geworden
war, blieb in der Tiefe liegen. Da erhob sich das Herz eines der Bauern
zu edler Mannheit, wie wenn ein Sonnenstrahl von oben hineinglänzt.
„Ich wag's in Gottes Namen!" ruft er, „ihr Männer, her, laßt mich
hinunter!" Und indem sie das Seil um ihn banden, empfahl er seine
Seele samt Weib und Kind dem himmlischen Vater. Er kommt in die
Tiefe, er spürt auch große Beklemmung. Aber der Peter, der sich nicht
mehr rührt, noch regt, ist rasch festgebunden und aufgewunden. Nun
ruft der Mann im Brunnen: „Um Gottes willen, helft, ich ersticke!"
Doch hatte er noch so viel Besinnung, sich zu befestigen, und war alsbald
wieder am Tageslicht. Die erquickliche Luft unter Gottes freiem Himmel
brachte ihn schnell wieder zu sich.
Die beiden andern aber lagen in tiefer, langer Ohnmacht, und dem
schnell herbeigeholten Arzte gelang es erst nach vieler Mühe, das ohnmächtige
Leben zu erwecken. Nach achttägiger Krankheit waren sie indessen wieder
genesen.
Der König, der diese Geschichte gehört hatte, ehrte die beiden Wackern
mit dem Rettungsorden, und der Pfarrer des Dorfes überreichte die
Medaillen an des Königs Geburtstage vor versammelter Gemeinde an
heiliger Stätte. Zur Seite Peters trat dabei dessen Braut mit freudigem
Stolz, und der Pfarrer legte ihre Hände zusammen und segnete sie. Aber
die ganze Gemeinde war bewegt und voll großer Freude.
151. Herzensgute der Königin Luise.
Preußens Kronprinz, der nachmalige König Friedrich Wilhelm HL,
und seine Gemahlin Luise von Mecklenburg-Strelitz führten eine Ehe,
welche als Vorbild eines wahrhaft deutschen Familienlebens weithin durch
das Land leuchtete. Ein Leben in solcher wechselseitigen Liebe und Treue
war damals — wo die französische Weise vorherrschend war — auch an
deutschen Fürstenhöfen sehr selten geworden. Am 10. März 1794 feierte
Luise als Kronprinzessin ihren ersten Geburtstag in Berlin. Den König
Friedrich Wilhelm II., der seine Schwiegertochter sehr lieb hatte und hoch
hielt, schien eine Ahnung zu überkommen, daß Luise in ihrem tiefsten
Denken und Empfinden eine innige Verwandtschaft mir der frommen
Luise Henriette von Oranien, der Gemahlin des großen Kurfürsten, habe;