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146. Ehrlich macht reich.
Als im Jahre 1792 der Kurfürst Wilhelm I. von Hessen mit dem
deutschen Heere nach Frankreich zog, lernte er aus seiner Reise durch
Frankfurt am Main den dortigen Bankier Mayer Rothschild kennen. Der
Mann war damals noch nicht reich, wegen seiner Rechtschaffenheit und
Geschäftsklugheit aber im besten Rufe. Deshalb bot ihm der Kurfürst
einige Millionen Thaler in Gold und Juwelen zur Verwahrung an.
Der biedere Israelit wollte sich nicht gleich dazu verstehn; allein der
Kurfürst beredete ihn und ließ ihm den Schatz, vhne auch nur einen
Empsangschein darüber zu verlangen. — Kaum hatte Rothschild die Kost
barkeiten in seinem Garten sorgfältig vergraben, als auch die Franzosen
in Frankfurt plündernd einmarschierten. Um den Schatz des Fürsten zu
retten, gab Mayer den Feinden lieber sein eigenes Vermögen preis. So
bald die Ruhe wieder hergestellt war, fing Mayer Rothschild sein Geschäft
als Bankier und Geldwechsler wieder an, anfangs nur klein; mit Hilfe
des kurfürstlichen Geldes dehnte er es aber immer mehr aus, so daß er
bald für einen der solidesten und reichsten Bankiers galt. — Als nun
der Kurfürst nach einiger Zeit in seine Staaten znriickkehrte, kam er wieder
durch Frankfurt und suchte Mayer Rothschild auf. „Die Feinde haben
mir wohl alles genommen, Mayer?" — „Nicht einen Thaler!" — er
widerte dieser feierlich. — „Was sagen Sie?" — „Nicht einen Thaler!" —
Wie, mir ist doch erzählt, die Franzosen hätten Ihnen alles geraubt? —
Ich habe es ja auch in den Zeitungen gelesen?" — „All das Meinige
freilich, aber Euer Königlichen Hoheit Schatz habe ich in meinem Geschäft
benutzt und bin im stände, Ihnen alles mit fünf Prozent Zinsen zurück
zu geben." Der Kurfürst, erstaunt und dankbar, schob die Zinsen zurück
als Ersatz für das, was die Franzosen dem ehrlichen Mayer genommen.
Als Belohnung aber seiner großen Ehrlichkeit überließ er ihm den ganzen
Schatz noch auf 20 Jahre gegen den geringen Zins von zwei Prozent
jährlich. Außerdem suchte der Fürst dem ehrlichen Rothschild in jeder
Weise nützlich zu sein und ermangelte nicht, auf dem Wiener Kongreß 1814
den versammelten Fürsten die makellose Ehrlichkeit t> desselben zu rühmen,
wodurch er ihm das Vertrauen der Kaiser von Österreich und Rußland
und anderer europäischer Herrscher erwarb. Die Ehrlichkeit des Mayer
Rothschild legte also den festen Grund zu der gewaltigen Geldmacht der
Gebrüder Rothschild, seiner Söhne zu London, Wien, Paris, Neapel,
und Frankfurt am Main.
147. Wie die Bäume des Thüringer Waldes auf
Reisen gehen.
Wenn unsere Thüringer Waldbäume von ihren hohen Bergen so
hinaussehen in die schöne Welt, bekommen sie auch Lust zur Wanderschaft.
Aber mit der Post können sie freilich nicht reisen. Und sie brauchens
auch nicht, denn sie haben im Walde einen guten Freund, der nimmt sie
ohne viel Fuhrlohn mit hinaus in die Welt. Weißt du, wer das ist? —
In verborgener Bergkammer ist er daheim; da liegt er als Kind in
kristalluer Wiege, und die Wolken schicken ihm heimlich Nahrung zu; kein