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4. Der Alte, dem 's mit Macht entquoll, singt's fort, doch nicht allein,
Kam'raden um ihn her im Kreis, gleich stimmen sie mit ein,
die Nachbarn treten zu, es wächst 'lawinengleich der Chor,
und voller, immer voller steigt der Lobgesang empor.
5. Aus allen Zelten strömt's, es reiht sich singend Schar an Schar;
einfallen setzt die Jäger, jetzt fällt ein auch der Husar.
Auch Musika will feiern nicht, zu reiner Harmonie
lenkt Horn, Hobo' und Klarinett' die heil'ge Melodie.
6. Und stärker noch und lauter noch, es schwillt der Strom zum Meer,
am Ende, wie ans einem Mund, singt rings das ganze Heer.
Im Echo donnernd wiederhallt's das aufgeweckte Thal,
wie hundert Orgeln braust hinan zum Himmel der Choral.
Besser.
143. Wie schön leuchtet der Morgenstern.
Wir waren wohl oft in grosser Angst und Not, erzählte ein
alter Lehrer in einem schlesischen Dorfe, wenn wir im sieben
jährigen Kriege auf jenen Anhöhen die Österreicher, hier in den
Schluchten die Preussen schlagfertig stehen sahen. Weder Pferd
noch Kuh, weder Milch noch Brot gab es in unserm Dörfchen
mehr; fast in jeder Nacht hörten wir die Kanonen donnern; und
mit jedem neuen Morgen stellte sich auch neues Elend und neuer
Jammer für uns ein.
Einst hatten wir wieder die ganze Nacht hindurch schiessen
gehört; an Zubettgehen war gar nicht mehr zu denken, weil man
in jeder Nacht horchen musste, ob die Flamme nicht schon im
Dachgiebel knisterte. Eben hatte ich mein Morgenläuten besorgt,
guckte zum Schallloche hinaus, um zu schauen, was uns an dem
schrecklichen Tage wohl wieder bevorstehen könne, und zog, zum
Himmel blickend und Gott dankend, mein Mützchen vom Kopfe,
da mir alles ganz ruhig schien. Ehe ich es jedoch wieder auf
gesetzt hatte, jagte ein alter, schwarzer Husar zum Kirchhofe
herein, warf sich vom Pferde und band seinen Braunen an meinen
Fensterladen. Wie mir zu Mute ward, kann man sich leicht vor
stellen. Ich flog mehr, als ich ging, die Turmtreppe hinunter.
Er aber liess mir nicht einmal Zeit, meinen „guten Morgen!“ an
zubringen, sondern rief mir im barschen Tone zu: „Geb er mir
den Kirchenschlüssel!“ Ich erschrak; denn obgleich das bisschen
Kirchenvermögen und der vergoldete Kelch mit der Hostien
schachtel in Sicherheit gebracht waren, so befand sich doch noch
eine ziemlich reiche Altarbekleidung mit Tressen in der Kirche.
Ich legte mich auf Bitten und Vorstellungen; allein der alte Kriegs
mann wollte davon nichts wissen. Er sah mit einer so ganz eignen
Manier bald auf mich, bald auf seinen Säbelgriff, dass ich, um
Unglück zu verhüten, voranging, um die Kirchenthür zu öffnen.
Meine Frau, die hinter der Hausthüre gehorcht hatte, und die vor
der Gefahr immer verzagter, in der Gefahr aber immer ent-