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138, Straßburgs Verlust.
Nach dem Nymweger Frieden schwoll der Übermut Ludwigs XIV.
immer höher an. Er ließ eine große Statue verfertigen, die ihn darstellte,
wie er auf den Nacken von vier gefesselten Sklaven trat, und diese Sklaven
wurden durch deutliche Attribute als der Kaiser, Spanien, Holland und
der brandenburgische Kurfürst bezeichnet. Ferner ließ er sich eine Uhr
verfertigen, in welcher ein künstlicher Hahn bei jedem Stundenschlag krähte
und ein künstlicher Adler dabei am ganzen Leibe zitterte. Der Hahn be
deutete Frankreich und der Adler das deutsche Reich.
Er ließ es aber bei diesen Spielereien nicht bewenden, sondern trachtete,
seine Eroberungen in Deutschland immer weiter auszudehnen. Den Anlaß
dazu brach er vom Zaun, indem er 1680 plötzlich erklärte, er müsse zu
dem, was er bereits vom Reich erobert habe, ailch noch alle die Länder,
Städte, Güter und Rechte erhalten, die je einmal damit zusammengehangen
hätten.
Die Ausführung wurde wieder den Brandschatzern und Mordbrennern
überlassen, die im Elsaß, in den Niederlanden und in der Pfalz gewaltsam
die alten Wappen wegrissen und das französische aufpflanzten, Besatzungen
einlegten und ungeheure Geldsummen erpreßten. Von dem uns gestohlenen
Gelde ließ Ludwig XIV. 300 neue Kanonen gießen, um die geraubten
Städte und Landschaften damit zu behaupten.
Das ganze deutsche Reich geriet in Bewegung; aber während man
langweilig in Regensburg ratschlagte, handelten die Franzosen und setzten
sich plötzlich durch Verrat in den Besitz von Straßburg. Die Mehrzahl
der Bürger war durchaus deutsch und gegen die Franzosen, die sie als
Tyrannen und Unterdrücker ihrer Freiheit von Herzen verabscheuten, auf
gebracht; nur einzelne Verräter und Buben hatten sich ihnen verkauft;
es kostete den König über 300000 Thlr., sich eine immer nur kleine Partei
zu verschaffen. Französische Truppen umringten in der Stille die Stadt,
gerade zu einer Zeit, wo viele Bürger auf der Frankfurter und andern
Messen abwesend waren (Sept. 1680); die Verräter hatten dafür gesorgt,
daß alle Verteidigungsmittel in einem schlechten Zustande waren, und die
Bürger wurden auf der einen Seite durch glänzende Versprechungen ver
lockt,' auf der andern durch die fürchterlichsten Drohungen eingeschüchtert.
Straßburg, der Hauptschlüssel zu Deutschland, der Sitz deutscher Gelehrsamkeit
und der Mittelpunkt einer bedeutenden Gewerbsamkeit, ergab sich am 15. Okt.
1690 den ewigen Feinden der Ruhe und Ehre unseres Vaterlandes. Nur
ein 70jähriger Schneider rief, obwohl vergebens, zum Widerstände auf.
Ludwig XIV. selbst hielt einen siegprunkenden Einzug; denn er und
seine Franzosen schämten sich der treulosen Art nicht, wie man sich dieses
Ortes bemächtigt hatte. Der verräterische Wilhelm von Fürstenberg,
Bischof von Straßburg, war verworfen genug, den König mit dem Gruße
Simeons zu bewillkommnen: „Herr, nun lässest du deinen Diener in
Frieden fahren, denn meine Augen haben deinen Heiland gesehen."
Sogleich ward eine starke Besatzung hineingelegt, und an den Festungs
bauten mit so großem Eifer und Aufwand gearbeitet, daß Straßburg in
kurzer Zeit einer der stärksten Plätze in Europa war. Das große, bisher
den Protestanten gehörige Münster wurde sogleich vom Bischof beansprucht,