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Bär! Ich bin ein armes, schwaches Geschöpf, das ihr im Wege nicht
anguckt; aber ich will sehen, ob ich euch helfen kann." Sie flog in die
Fuchshöhle, setzte sich der Ziege auf den glatt geschorenen Kopf und
stach so gewaltig, daß sie aufsprang, mäh! mäh! schrie, und wie toll in
die Welt hineinlief, und weiß niemand auf diese Stunde, wo sie hin
gelaufen ist. Grimm.
136. Der grosse Kurfürst.
Friedrich Wilhelm, der Sohn Georg Wilhelms, trat unter den
schwierigsten Umständen 1640 die Regierung an. Schon 22 Jahre
hatte der unheilvolle dreissigjährige Krieg die deutschen Fluren
verödet, und das Kurfürstentum Brandenburg war mit am härtesten
davon betroffen worden. Zu Berlin, der Hauptstadt, wohnten zu
letzt nur noch 300 Bürger, die nichts als das nackte Leben hatten;
die Hälfte der Häuser lag in Schutt und Asche; unsägliches Elend,
Verheerung und Zerstörung herrschte überall; die Bande der Ord
nung und des Gesetzes waren fast ganz aufgelöst. Da unternahm
es der 20jährige Regent, sein Land zu einem wohlgeordneten,
unabhängigen und angesehenen Reiche zu gestalten; mit Einsicht
und Kraft ging er an die Lösung dieser schweren Aufgabe. Zu
nächst gründete er ein eigenes, wenn auch kleines, stehendes Heer,
indem die Truppen, statt wie bisher dem Kaiser, ihm selbst den
Eid der Treue leisten mussten. An der Spitze seines Heeres stand
der berühmte Derfflinger, der aus einem Schneidergesellen,
welcher bei Tangermünde nicht einmal das Fahrgeld über die Elbe
bezahlen konnte, ein Feldmarschall geworden war.
Friedrich Wilhelm hatte einen Teil seiner Jugend in Holland
verlebt; in Leyden und im Haag hatte er sich eine gediegene
Bildung erworben und war von dem berühmten Statthalter Fried
rich Heinrich von Oranien in der Kriegskunst unterwiesen worden.
Dort hatte er auch das Gedeihen eines durch rastlosen Fleiss
emporgekommenen Landes und Volkes kennen und bewundern ge
lernt. Darum suchte er in seinem Lande vor allem den Ackerbau
zu fördern, indem er den verarmten Landleuten Korn, Ackergerät
und Vieh übergab. Jeder musste, wenn irgend möglich, an seinem
Hause einen Garten anlegen. Kein Landmann durfte heiraten,
wenn er nicht mindestens sechs Obstbäume gepfropft und sechs
junge Eichen angepflanzt hatte. Den Anbau der Kartoffeln und
des Tabaks betrieb er auch eifrig. Um das Geld im Lande zu
halten, verbot er, dass solche Waren eingeführt würden, welche
die Märker selbst erzeugen konnten. Zur Förderung des Handels
liess er die Landstrassen verbessern und einen Kanal anlegen, der
die Oder mit der Spree verbindet und heute noch der „Friedrich-
Wilhelms-Kanal“ heisst; auch wurden Posten eingerichtet. Er
sorgte dafür, dass die Jugend zur Schule angehalten wurde, legte
selbst Schulen und Kirchen an und suchte überall Bildung zu ver
breiten und Kunst und Wissenschaft zu heben. Auch zog der
Kurfürst eine Menge fleissiger Bürger aus Bremen, aus Holland