Full text: V. Teil (5. Teil, 1889)

140 
und betn Goldesel heim zu seinem Vater. Der Schneider freute sich, als 
er ihn sah, und fragte ihn wie seine Brüder, was er gelernt habe. 
„Lieber Vater," antwortete er, „ich bin ein Drechsler geworden. ' — „Ein 
kunstreiches Handwerk," sagte der Vater; „was hast du von der Wander 
schaft mitgebracht?" — „Ein kostbares Stück, lieber Vater," sprach der 
Sohn, „einen Knüppel in dem Sack." — „Was," rief der Vater, „einen 
Knüppel! Das ist der Mühe wert; den kannst du dir von jedem Baume 
abhauen." — „Aber einen solchen nicht, lieber Vater; sage ich: „Knüppel 
aus dem Sack!" so springt der Knüppel heraus und macht mit dem, der 
es nicht gut mit mir meint, einen schlimmen Tanz, und läßt nicht eher 
nach, als bis er auf der Erde liegt und um gut Wetter bittet. Seht 
ihr, mit diesem Knüppel habe ich das Tischchen deck dich und den Gold 
esel wieder herbeigeschafft, die der diebische Wirt meinen Brüdern ab 
genommen hatte. Jetzt laßt sie hereinrufen und ladet alle Verwandten 
ein, ich will sie speisen und tränken und will ihnen die Taschen noch 
mit Gold füllen." Der alte Schneider wollte nicht recht trauen, brachte 
aber doch die Verwandten zusammen. Da deckte der Drechsler ein Tuch 
in die Stube, brachte den Goldesel herein und sagte zu seinem Bruder: 
„Nun, lieber Bruder, sprich mit ihm!" Der junge Müller sagte: „Brick- 
lebrit!" und augenblicklich sprangen die Goldstücke auf das Tuch herab, 
als käme ein Platzregen, tmb der Esel horte nicht eher auf, als bis sie 
alle so viel hatten, daß sie nicht mehr tragen konnten. (Ich sehe dir's 
an, du wärst auch gern dabei gewesen.) Dann holte der Drechsler das 
Tischchen und sagte: „Lieber Bruder, nun sprich mit ihm!" Und kaum 
hatte der Schreiner „Tischchen, deck dich!" gesagt, so war es gedeckt und 
mit den schönsten Schüsseln vollauf besetzt. Da wurde eine Mahlzeit ge 
halten, wie der gute Schneider noch keine in seinem Hause erlebt hatte, 
und die ganze Verwandtschaft blieb beisammen bis in die Nacht, und 
waren alle lustig und vergnügt. Der Schneider verschloß Nadel und 
Zwirn, Elle und Bügeleisen in einen Schrank und lebte mit seinen drei 
Söhnen in Freude und Herrlichkeit. 
Wo ist aber die Ziege hingekommen, die Schuld war, daß der 
Schneider seine drei Söhne fortjagte? Das will ich dir sagen. Sie 
schämte sich, daß sie einen kahlen Kopf hatte, lief in eine Fuchshöhle und 
verkroch sich hinein. Als der Fuchs nach Hause kam, funkelten ihm ein 
paar große Augen aus der Dunkelheit entgegen, daß er erschrak und 
wieder zurücklief. Der Bär begegnete ihm, und da der Fuchs ganz ver 
stört aussah, so sprach er: „Was ist dir, Bruder Fuchs? Was machst du 
für ein Gesicht?" — „Ach," antwortete der Rote, „ein grimmig Tier sitzt 
in meiner Höhle und hat mich mit feurigen Augen angeglotzt." — „Das 
wollen wir schon austreiben," sprach der Bär, ging mit zu der Höhle 
und schaute hinein. Als er aber die feurigen Augen erblickte, wandelte 
ihn ebenfalls die Furcht an; er wollte mit dem grimmigen Tiere nichts 
zu thun haben und nahm Reißaus. Die Biene begegnete ihnen, und da 
sie merkte, daß es ihm in seiner Haut nicht wohl zu Mute war, sprach 
sie: „Bär, du machst ja ein gewaltig verdrießlich Gesicht; wo ist deine 
Lustigkeit geblieben?" — „Du hast gut reden," antwortete der Bär, „da 
sitzt ein grimmiges Tier mit Glotzaugen in dem Hause des Roten, und 
wir können es nicht herausjagen." Die Biene sprach: „Du dauerst mich,
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.