Full text: V. Teil (5. Teil, 1889)

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in die Welt. Wenn er Geld nötig hatte, brauchte er nur zu seinem Esel 
„Bricklebrit" zu sagen, so regnete es Goldstücke, und er hatte weiter keine 
Mühe, als sie von der Erde aufzuheben. Wo er hinkam, war ihm das 
beste nicht gut genug, und je teurer, je lieber, denn er hatte immer einen 
vollen Beutel. Als er sich eine Zeitlang in der Welt umgesehen, dachte 
er: „Du mußt deinen Vater aufsuchen; wenn du mit dem Goldesel 
kommst, so wird er seinen Zorn vergessen und dich gut aufnehmen." Es 
trug sich zu, daß er in dasselbe Wirtshaus geriet, in welchem seinem 
Bruder das Tischchen vertauscht war. Er führte seinen Esel an der 
Hand, und der Wirt wollte ihm das Tier abnehmen und anbinden; der 
junge Geselle aber sprach: „Gebt euch keine Mühe, meinen Grauschimmel 
führe ich selbst in den Stall und binde ihn auch selbst an, denn ich muß 
wissen, wo er steht." Dem Wirte kam das wunderlich vor, und er 
meinte, einer der seinen Esel selbst besorge, habe nicht viel zu verzehren. 
Als aber der Fremde in die Tasche griff und zwei Goldstücke heraus 
holte und sagte, er solle nur etwas Gutes für ihn einkaufen, so machte 
er große Augen, lief und suchte das beste, das er auftreiben konnte. 
Nach der Mahlzeit fragte der Gast, was er schuldig sei. Der Wirt wollte 
die doppelte Kreide nicht sparen und sagte, noch ein paar Goldstücke 
müßte er zulegen. Der Geselle griff in die Tasche, aber sein Gold war 
eben zu Ende. „Wartet einen Äugenblick, Herr Wirt," sprach er, „ich 
will nur gehen und Gold holen!" nahm aber das Tischtuch mit. Der 
Wirt wußte nicht, was das heißen sollte, war neugierig, schlich ihm nach, 
und da der Gast die Stallthüre zuriegelte, so guckte er durch ein Astloch. 
Der Fremde breitete unter dem Esel das Tuch aus, rief „Bricklebrit!" 
und augenblicklich fing das Tier an Gold zu speien, daß es ordentlich 
aus die Erde herabregnete. „Ei der tausend!" sagte der Wirt, „da sind 
die Dukaten bald geprägt; so ein Geldbeutel ist nicht übel." Der Gast 
bezahlte seine Zeche und legte sich schlafen; der Wirt aber schlich in der 
Nacht hinab in den Stall, führte den Münzmeister weg und band einen 
andern Esel an seine Stelle. Den folgenden Morgen in der Frühe zog 
der Geselle mit seinem Esel ab und meinte, er hätte seinen Goldesel. 
Mittags kam er bei seinein Vater an, der sich freute, als er ihn wieder 
sah, und ihn gerne aufnahm. „Was ist aus dir geworden, mein Sohn?" 
fragte der Alte. „Ein Müller, lieber Vater," antwortete er. „Was hast 
du von deiner Wanderschaft mitgebracht? — Weiter nichts, als einen 
Esel." — „Esel gibt's hier genug," sagte der Vater, „da wäre mir doch 
eine gute Ziege lieber gewesen." — „Ja," antwortete der Sohn, „aber es 
ist kein gemeiner Esel, sondern ein Goldesel: wenn ich sage „Bricklebrit," 
so speit euch das gute Tier ein ganzes Tuch voll Goldstücke. Laßt nur 
alle Verwandten herbeirufen, ich mache sie alle zu reichen Leuten." — „Das 
laß ich mir gefallen," sagte der Schneider, „dann brauch' ich mich mit der 
Nadel nicht weiter zu quälen," sprang selbst fort und rief die Verwandten 
herbei. Sobald sie beisammen waren, hieß sie der Müller Platz machen, 
breitete sein Tuch aus und brachte den Esel in die Stube. „Jetzt gebt 
acht!" sagte er und rief: „Bricklebrit!" aber es waren keine Goldstücke, 
die herabfielen, und es zeigte sich , daß das Tier nichts von der Kunst 
verstand, denn es bringt's nicht jeder Esel so weit. Da machte der arme 
Müller ein langes Gesicht, sah, daß er betrogen war, und bat die Ver-
	        
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