Full text: V. Teil (5. Teil, 1889)

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Schneider, „hat die Ziege ihr gehöriges Futter?" — „O," antwortete der 
Sohn, „die ist so satt, sie mag kein Blatt." Der Vater wollte sich selbst 
überzeugen, ging hinab in den Stall, streichelte das liebe Tier und fragte: 
„Ziege, bist du auch satt?" Die Ziege antwortete: 
Wovon sollt' ich satt sein? 
Ich sprang nur über Gräbelein 
und fand kein einzig Blättelein: mäh! mäh! 
„Was muß ich hören?" rief der Schneider, lief hinauf und sprach 
zu dem Jungen: „Ei, du Lügner, sagst, die Ziege wäre satt, und du hast sie 
hungern lassen?" und in seinem Zorn nahm er die Elle von der Wand 
und jagte ihn hinaus. 
Am andern Tag war die Reihe am zweiten Sohn, der suchte einen 
Platz aus, wo lauter gute Kräuter standen, und die Ziege fraß sie rein 
ab. Abends, als er heim wollte, fragte er: „Ziege, bist du auch satt?" 
Die Ziege antwortete: 
Ich bin so satt, 
ich mag kein Blatt: mäh! mäh! 
„So komm nach Haus!" sprach der Junge, zog sie heim und band 
sie fest. „Nun," sagte der alte Schneider, „hat die Ziege ihr gehöriges 
Futter?" „O," antwortete der Sohn, „die ist so satt, sie mag kein 
Blatt." Der Schneider wollte sich darauf nicht verlassen, ging hinab 
in den Stall und fragte: „Ziege, bist du auch satt?" Die Ziege ant 
wortete : 
Wovon sollt' ich satt sein? 
Ich sprang nur über Gräbelein 
und fand kein einzig Blättelein: mäh! mäh! 
„Der gottlose Bösewicht!" schrie der Schneider, „so ein frommes 
Tier hungern zu lassen!" lief hinauf und schlug mit der Elle den Jungen 
zur Hausthüre hinaus. 
Die Reihe kam jetzt an den dritten Sohn, der wollte seine Sache 
gut machen, suchte Buschwerk mit dem schönsten Laube aus und ließ 
die Ziege daran fressen. Abends, als er heim wollte, fragte er: „Ziege, 
bist du auch satt?" Die Ziege anwortete: 
Ich bin so satt, 
ich mag kein Blatt: mäh! mäh! 
„So komm nach Haus!" sagte der Junge, führte sie in den Stall 
und band sie fest. „Nun," sagte der alte Schneider, „hat die Ziege ihr 
gehöriges Futter?" — „O," antwortete der Sohn, „die ist so satt, sie 
mag kein Blatt." Der Schneider traute nicht, ging hinab und fragte: 
„Ziege, bist du auch satt?" Das boshafte Tier antwortete: 
Wovon sollt'ich satt sein? 
Ich sprang nur über Gräbelein 
und fand kein einzig Blättelein: mäh! mäh! 
„O die Lügenbrut!" rief der Schneider, „einer so gottlos und pflicht 
vergessen wie der andere! Ihr sollt mich nicht länger zum Narren haben!" 
und vor Zorn außer sich, sprang er hinauf und gerbte dem armen 
Jungen mit der Elle den Rücken so gewaltig, daß er zum Hause hinaus 
sprang.
	        
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