Full text: V. Teil (5. Teil, 1889)

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5. „Mein Haupt soll's kosten," sprach der 
Kläger, 
„falls ich dir falscher Kunde Träger, 
doch bei dir ist Gerechtigkeit —" 
„Ja," sprach der Fürst, „so ist's, mein 
Lieber," — 
es ward sein edles Antlitz trüber, 
doch Schrecken war am Hof zur Zeit. 
6. Es ist kein Jahr ins Land gegangen, 
und siehe, sicher nun gelangen 
die Kaufmannsgüter aus und ein. 
Wie munter doch die Schellen klingen! 
Man hört den frohen Kärrner singen 
im Walde bei des Abends Schein. 
7. Doch in den Burgen war viel Weinen, 
der Kurfürst will blutdürstig scheinen — 
denn wisset, daß an einem Tag, 
nach strengem Spruch in kurzer 
Weile, 
gerichtet von des Henkers Beile, 
gar vieler Edlen Haupt erlag. 
8. Da hört man nun aus manchem 
Munde: 
„Des Landes Adel geht zu Grunde, 
des Adels Blüte sinkt dahin. 
Die Strafe traf weit über Schulden, 
und solches ist nicht zu erdulden, 
zu brechen gilt's des Fürsten Sinn!" 
9. Der Kurfürst aber sprach: „Solch Treiben 
soll niemals vor mir straflos bleiben, 
nicht rasten will ich und nicht ruhn; 
doch nimmer strafte ich den Adel, 
mein Adel, der ist ohne Tadel, 
ich strafte nur der Räuber Thun." Gruppe. 
124. Eine Luftfahrt. 
Wir wurden bald einig. Herr Reichardt gab seinen Ballon her, und 
ich trug die Kosten; sie kamen auf 1800 Mark zu stehen. Der Tag, den 
wir wählten, war einer der schönsten; kaum ein Wölkchen war am Himmel 
zu erblicken. Halb Berlin hatte sich auf Plätzen und Straßen versammelt, 
und mitten aus der bunten Menge erhoben wir uns, sobald ich die Gondel 
bestiegen, langsam gen Himmel. Diese Gondel war freilich nicht größer 
als eine große Wiege; die Netze aber, die sie umgaben, verhinderten jeden 
Schwindel. 
Wir stiegen nur allmählich auf. Nichts Schöneres kann man sich 
denken als den Anblick, wie nach und nach die Menschenmenge, die 
Straßen, die Häuser, endlich die höchsten Türme immer kleiner und 
kleiner wurden, der frühere Lärm erst in ein leises Gemurmel, zuletzt 
in ein lautloses Schweigen überging, und endlich das Ganze der ver 
lassenen Erde sich unter uns ausbreitete, die prächtige Lindenreihe nur 
noch einer grünen Furche, die Spree einem schwachen Faden glich, Städte 
und Dörfer wie auf einer großen Landkarte vor unseren trunkenen Blicken 
lagen. 
So mochten wir mehrere tausend Fuß gestiegen und einige Stunden 
sanft fortgeweht worden sein, als sich ein neues,' noch weit großartigeres 
Schauspiel vor uns entfaltete. Rund umher am Horizonte stiegen nämlich 
drohende Wolken schnell nacheinander empor, und da man sie hier nicht 
wie auf der Erde bloß an ihrer untern Fläche, sondern in ihrer ganzen 
Höhe sah, so glichen sie weit weniger gewöhnlichen Wolken, als unge 
heuern , schneeweißen Bergketten von den auffallendsten Formen, die sich 
alle über uns hinwegstürzen zu wollen schienen. So rückten sie, von
	        
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