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122. Luther
1. Schon harret an den Thüren
des Volkes Menge dicht,
als sie den Luther führen
vor Kaiser und Gericht.
Und an der Thüre Pfosten,
dem Eingang Luthers nah,
steht fest auf seinem Posten
der alte Frnndsberg da.
2. Wie unter Blitzesflammen,
wie unter Sturmeswehn
zwei Eichen dicht beisammen
auf zähen Wurzeln stehn,
so stehen kühngestaltig
die beiden Helden dort,
in Waffen der gewaltig,
und jener dort im Wort.
3. Den schirmt die Pickelhaube,
das Panzerhemd aus Erz,
und jenem stählt der Glaube
das vielgeprüfte Herz.
In Schlachten schaut der eine
dem Tod ins Angesicht,
dem zittern die Gebeine
auch vor dem Teufel nicht.
und Jrundsberg.
4. Der Ritter sieht den Priester
sich werfen in den Tod,
in seinen Zügen liest er
der Losung ernst Gebot,
das „Siegen oder Sterben!"
dem fromm Verwegnen heißt,
und vor dem Himmelserben
beugt sich des Helden Geist.
5. „Mönchlein!" beginnt der Ritter,
du gehest einen Gang,
wie auch im Schlachtgewitter,
im Mord- und Sturmesdrang,
ich noch bestanden keinen
und keinen werd' bestehn;
bist du mit Gott im Reinen,
magst du den Gang auch gehn!"
6. So gab der greise Degen
am heißen Kampfestag
dem Luther seinen Segen,
den Hand- und Ritterschlag.
Wohlauf denn,Held, und schwinge
dein ritterliches Schwert!
Laß sehen, ob die Klinge
als flammend sich bewährt!
Hagenbach.
123. Kurfürst Joachim I. von Brandenburg und der
Kaufmann.
1. Schon hatte viel das Land gelitten,
als einer tritt mit dreisten Schritten
zu Kurfürst Joachim ins Schloß,
trägt vor des ganzen Landes Klage
und bringt des Adels Schuld zu
Tage,
der raubte Waren, Wagen, Roß.
2. Der Kurfürst hört es an mit Grimme
und spricht darauf mit ernster Stimme:
„Du klagest schwerer Thaten an,
kannst du mir auch die Thäter
nennen?"
„Ich mein', ich würde sie erkennen —
ja, ich erkenne," sprach der Mann.
3. „Ja, ich erkenn' an Bart und Zügen,
und nimmer kann mein Auge trügen,
den Namen aber weiß ich nicht,
und die so schmuck den Herrn da
kleiden,
Herr Kurfürst, das sind meine Seiden —
der ist es, es ist dies Gesicht!" —
4. „Wie," sprach der Kurfürst, „und du
wagest —
wie, meine Hofleut'? Und du sagest,
daß dieser dich im Wald beraubt?"
»Ja, Herr, ich sag's, der war's im Walde,
und jener war es an der Halde —"
„Halt ein, es kostet dich das Haupt!"