Full text: V. Teil (5. Teil, 1889)

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108. Trau, schau, wem? 
Ein Fuchs verkündete den Hühnern und Hähnen, die auf einem 
Baume sassen, einen ewigen Frieden, der wäre angestellt mit allen 
Tieren, also dass fürderhin Wolf und Schaf, Fuchs und Hühner 
ewige Freundschaft und Bündnis miteinander haben sollten. — 
Damit hätte er gern die Hennen vom Baume geschwätzt. — Aber 
der Hahn sagte: „Das höre ich gern!“ — und reckte dabei den 
Kopf auf. Der Fuchs fragte: „Was siehest du?“ Der Hahn ant 
wortete: „Ich sehe einen Jäger mit Hunden von ferne.“ Da sprach 
der Fuchs: „Nun bleibe ich nicht.“ Der Hahn antwortete: „Harre; 
wir wollen auch zu dir hinab, wenn wir sehen, dass die Hunde 
mit dir Frieden haben.“ Der Fuchs antwortete: „Ei, er möchte 
ihnen noch nicht verkündet sein; ich eile davon!“ Frank. 
109. Geschlichteter Streit. 
Von zwei alten Schweizern wird erzählt, daß sie einen Streit um 
eine Wiese hatten. Jeder glaubte, ein gutes Recht an dieselbe zu haben. 
Da kam eines Tages der eine zum andern und sagte ihm: Ich habe die 
Richter zusammenkommen lassen. Wir waren beide nicht gelehrt genug, 
unsere Sache ins reine zu bringen. Komm morgen mit vor Gericht. Der 
andere antwortete: Ich kann morgen nicht, ick) habe mein Heu gemähet; 
es muß eingebracht werden. Nach einigem Besinnen fügte derselbe hinzu: 
Geh du doch allein, sage den Richtern deine und meine Gründe und 
laß sie dann entscheiden. Der andere nahm es an, ging, führte beide 
Sachen in schlichter Wahrheit, kam am Abend wieder, trat bei dem Wider 
sacher ein und verkündete ihm: Die Richter haben für dich entschieden. 
Gottlob, daß unser Hader aus ist! Ahüeld. 
110. Ludwig von Bayern und Friedrich von Österreich. 
Ums Jahr 1313 war viel Streit im deutschen Reich. Kaiser- 
Heinrich VII., Albrechts Nachfolger, starb ans einem Zuge nach Italien, 
und zwei Kaiser waren nun von den uneinigen Fürsten zu gleicher Zeit 
gewählt worden und stritten miteinander, Ludwig von Bayern und 
Friedrich von Österreich. Bei Mühldorf und Ampfing im Salzburgischen 
kam es zur entscheidenden Schlacht. Friedrich, ein stattlicher Held, allge 
mein der Schöne genannt, verrichtete Wunder der Tapferkeit. Fünfzig 
Feinde fielen von seiner Hand, und furchtbar strahlte im Kampfgewühl 
seine goldene Rüstung und sein blitzendes Schwert. Dennoch erfocht 
Ludwigs kluger Feldherr Schweppermann einen vollständigen Sieg; 
Friedrichs Pferd wurde durchbohrt und er selbst gefangen vor Ludwig 
geführt. Ludwig behandelte ihn edel; er ließ ihn auf die Burg Trausnitz 
abführen in ritterliche Haft. Doch war damit die Einigkeit des Reiches 
nicht hergestellt. Friedrichs tapferer Bruder Leopold, „die Blüte der 
Ritterschaft" genannt, führte mit seinen Freunden, vom Papste unterstützt, 
den Krieg fort; Ludwig kam in große Not. Da ging er zu seinem Gegner 
auf die Trausnitz und versprach ihm die Freiheit, wenn er der Kaiserwürde 
entsagen und seinen Bruder zum Frieden bewegen werde. Friedrich, schon
	        
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