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Schöffen, an den nächsten Baum gehängt. Gelindere Strafen
waren Landesverweisung und Geldbusse.
Erschien der Angeklagte auf die erste Vorladung nicht, so
wurde die Vorladung noch zweimal wiederholt; stellte er sich
auch dann nicht, so galt er als schuldig und ward „verfemt“.
Dann wurde der Name des Verurteilten in das Blutbuch ge
schrieben, und der also Verfemte von allen Wissenden verfolgt.
Keiner von ihnen durfte das Urteil verraten, aber jeder hatte die
Pflicht, es zu vollstrecken. Wo er des Verfemten habhaft werden
konnte, zu Hause oder auf der Strasse, da stiess er ihn nieder
oder hängte ihn. Zum Zeichen, dass der Getötete durch die heilige
Feme gefallen, liess man ihm alles, was er hatte, und steckte ein
Messer neben ihm in die Erde.
Später entartete die Feme. Viele Schuldlose wurden von
ihren Feinden aus Bosheit und Bache fälschlich angeklagt und
durch die Femrichter verurteilt. Ja, mancher Unglückliche wurde
sogar ohne Untersuchung gerichtet und aufgeknüpft. Da sanken
die Femgerichte in ihrer Achtung und wurden allgemein verhasst.
Deshalb wurden die Sitzungen nachts in dunklen Wäldern und
verborgenen Höhlen abgehalten, wobei die Bichter als Vermummte
erschienen. Als aber die Fürsten und Städte endlich bessere
Bechtspflege und Gerichtsbarkeit einführten, da verschwanden die
unheimlichen Femgerichte. Das letzte wurde im Jahre 1568 in Celle
abgehalten.
104. Die Torfmoore.
Im Nordwesten von Hannover, zu beiden Seiten der Ems, dehnen
sich gewaltige Torfmoore aus, von denen das Bourtanger Moor das be
deutendste ist. Viele Meilen weit ist hier der Boden mit Torf und Moor-
bedeckt; man sieht weder Baum noch Strauch, weder Tier noch Mensch.
Eine unheimliche Stille umgibt uns. Nur selten trifft man eine kleine
Herde grasender Heidschnucken. Im Frühlinge aber erscheinen bie an
wohnenden Bauern, mit breiten Brettern an den Füßen, um nicht einzu
sinken, und stecken große, durch Gräben abgegrenzte Torfflächen in Brand.
Dichter Qualm verfinstert dann den Gesichtskreis. Das ist der Höhenrauch,
dessen Dunst zuweilen bis zu den Alpen und der Weichsel getrieben wird.
In die Asche sät der Bauer später Buchweizen; aber nur in den ersten
3—4 Jahren ist der Boden ertragsfähig, dann sinkt er wieder in seinen
Urzustand zurück. In anderen Gegenden sucht man das Moor dadurch
fruchtbar zu machen, daß man den Torf absticht, den darunterliegenden
Boden reichlich düngt und mit fruchtbarer Erde vermischt. Zu diesem
Zwecke wird zunächst ein Kanal gegraben, der hier die Fahrstraße vertritt,
und auf welchem dann in Kähnen der Torf fort- und die Erde herbeige
schafft wird. Die einzelnen Strecken zur Seite des Kanals werden ver
pachtet. Ein solcher Pächter heißt Fehntjer. Er baut sich auf seinem
Moorstiick zuerst eine Hütte ans Torfboden. Dann zieht er Entwässe
rungsgräben, damit der Torf trocken und zum Ausstechen reif werde.
Wo er diesen entfernt hat, legt er sich zunächst ein Gärtchen an, das er
mit Kanalschlamm und Mergel düngt und jedes Jahr größer macht.