Full text: V. Teil (5. Teil, 1889)

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3. Der Sänger drückt' die Augen ein 
und schlug in vollen Tönen; 
die Ritter schauten mutig drein 
und in den Schoß die Schönen. 
Der König, dem das Lied gefiel, 
ließ ihm zum Lohne für sein Spiel 
eine goldne Kette bringen. 
4. „Die goldne Kette gib mir nicht, 
die Kette gib den Rittern, 
vor deren kühnem Angesicht 
der Feinde Lanzen splittern! 
gib sie dem Kanzler, den du hast, 
und laß ihn noch die goldne Last 
zu andern Lasten tragen. 
5. Ich singe, wie der Vogel singt, 
der in den Zweigen wohnet; 
das Lied, das aus der Kehle dringt, 
ist Lohn, der reichlich lohnet; 
doch darf ich bitten, bitt' ich eins: 
Laßt mir den besten Becher Weins 
in purem Golde reichen." 
6. Er setzt' ihn an, er trank ihn aus: 
„O Trank voll süßer Labe! 
O wohl dem hochbeglückten Haus, 
wo das ist kleine Gabe! 
Ergeht's euch wohl, so denkt an mich, 
und danket Gott so warm, als ich 
für diesen Trunk euch danke." 
Goethe. 
97. Das Gold. 
Das Gold gilt für das edelste Metall wegen seiner schönen Farbe, 
seines schönen Glanzes, und weil es sich mit Leichtigkeit zu jeder Form 
verarbeiten läßt. Mag es ferner jahrelang in der Luft, im Wasser, im 
Schmutze aller Art liegen, es ändert sich nicht, verliert weder die Farbe, 
noch den Glanz, noch den Wert. Ein einziges Pfund Gold gilt etwa 
1400 Jls und ist also ungefähr 15 mal so teuer als ein Pfund 
Silber. Daß die Seltenheit seinen Preis erhöht, läßt sich leicht be 
greifen; allein es würde doch, wenn es noch so gemein würde, immer 
wegen der genannten Eigenschaften einen hohen Wert behalten. Es ist 
sehr schwer, etwas über 19 mal so schwer als das Wasser. Reines Gold 
ist weicher als Silber, aber härter als Zinn, und läßt sich, ohne einen 
Ton zu geben, mit dem Messer schneiden. Damit es härter wird und zu 
Münzen, zu Schmuck re. benutzt werden kann, wird es gewöhnlich mit 
anderen Metallen, insbesondere mit Kupfer oder Silber, versetzt oder 
legiert. Auch durch Hämmern wird es etwas härter, aber nie elastisch. 
Von allen festen Körpern ist es das dehnbarste. Man schlägt es zu so 
dünnen Blättchen, daß 8000 zusammen erst die Dicke eines Centimeters 
haben. So kann man einen Dukaten, der doch nicht viel größer als ein 
Groschen ist, so ausdehnen, daß sich ein Reiter samt dem Pferde damit 
übergolden ließe. 
In unserm deutschen Vaterlande hat man früher auch Gold aus dem 
Flußsande gewaschen. Es war aber niemals sehr viel darin, und in 
manchen Gegenden gehörte schon viel dazu, wenn einer den ganzen Tag 
über für einen Groschen Gold herauswaschen wollte. Damals war aber 
alles noch so wohlfeil, daß von einem Groschen eine ganze Familie einen 
ganzen Tag erhalten werden konnte. Jetzt aber ist das anders, und da 
ist es sicherer, sein Brot auf eine andere Art im Schweiße seines Ange 
sichts zu verdienen. 
In manchen Gegenden von Afrika, in Südamerika, Kalifornien und 
Australien ist das freilich anders. Dort findet man nicht nur Körnlein
	        
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