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und Antiochien, zogen weiter gen Mittag und erblickten nach vielen
Gefahren endlich vom Berge herab die Zinnen Jerusalems. Da stürzten
sie auf den Boden, küßten die Erde und weinten vor Freuden. Klein
war ihre Zahl, aber die Kraft des Glaubens verdoppelte ihren Mut und
begeisterte sie, alles zu wagen; weder die festen Türme und ragenden
Zinnen, von denen die blitzenden Geschosse der Türken niederzischten, noch
der Mangel an Heergerät, noch Hunger und Durst schreckten sie. Zum
Sturm! zum Sturm! riefen sie voll Ungeduld, und mit furchtbarem
Ungestüme tobten sie wider die Mauern. Mit gleicher Tapferkeit vertei
digten sich jedoch die Türken; da regnete es Pfeile und Flammen auf die
Köpfe der Kreuzfahrer herab. Aus vielen Wunden blutend, von Flammen
umleckt, fechten sie fort. Wohl sinkt hie und da schon ein tapferer Held
vor Ermattung hin. Da zeigt sich plötzlich auf dem Ölberge ein hoher
Ritter in schneeweißer, leuchtender Rüstung, der winkt ihnen nach der
heiligen Stadt hin. Ein Cherub mit flammendem Schwerte,: den uns
Gott zum Mitstreiter gesandt! rufen sie begeistert, und jauchzend sprengen
sie abermals gegen die Mauer heran. Nun ist kein Halt mehr vor ihnen,
vor ihrem Anprall gehen die Thore in Trümmer. Tankred der Nor
manne und Robert von Flandern stürmen in die Stadt, Gott
fried von Bouillon fliegt wie ein Adler die Zinnen hinan und pflanzt
die Kreuzesfahne auf.
So ward Jerusalem von den Christen wieder erobert am 15. Juni
des Jahres 1099 n. Chr. Darauf erkoren die Kreuzfahrer ihren Feld
herrn, den frommen Helden Gottfried von Bouillon, zum Könige von
Jerusalem. Er aber sprach demütig: Das verhüte Gott, daß ich eine
irdische Krone trage, wo mein Heiland mit Dornen gekrönt worden ist,
und nannte sich bloß Schirmherr des heiligen Grabes. Das
dünkte ihm die höchste Ehre. Duller.
91. Das Rittertum.
1. Entstehung des Rittertums. — Die Zeit der Kreuzzüge
war die Blütezeit des Rittertums. Dasselbe hatte sich aus dem Reiter
dienste hervorgebildet, der als vorzüglich ehrenvoll galt. Ihm widmeten
sich die Reichen und Adligen, die den Kriegerstand zu ihrem Lebensberufe
machten. Schwer gerüstet, vom Kopf bis zu den Füßen mit Eisen be
deckt, von Jugend auf im Gebrauche der Waffen geübt, waren diese den
gemeinen Kriegern, die zu Fuß dienten, weit überlegen; fast einzig auf
ihrer Anzahl beruhte die Stärke des Heeres. Bon ihrem Reiterdienste er
hielten sie den Namen Ritter.
2. Edelknabe, Knappe und Ritter. — Mit der Zeit bildeten
die Ritter einen besonderen Stand. Nur wer von Rittern abstammte
und die Pflichten des Ritterstandes erfüllte, konnte Ritter werden. Diese
Pflichten bestanden darin, daß der Ritter seine Ehre unbefleckt erhielt, der
Kirche gehorsam war, den Schwachen und Bedrängten Beistand leistete
und den Frauen Hochachtung und Höflichkeit erwies. Die Aufnahme in
den Stand erfolgte erst nach langjähriger Vorbereitung. Vom siebenten
Jahre an trat der Ritterssohn als Edelknabe in den Dienst eines
andern Ritters. Hier lernte er Zucht und Gehorsam, übte sich im Reiten