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4. Jetzt schweift er durch die Lande, geächtet, fliichtig hin; das will
dem edlen Kaiser gar schmerzlich in den Sinn; er hat die schlimme Fehde
oft bitter schon beweint: „O Heinrich, du mein Bruder, was bist du
mir so feind!" —
5. Zu Quedlinburg im Dome ertönt die Mitternacht, vom Priester
wird das Opfer der Messe dargebracht; es beugen sich die Kniee, es beugt
sich jedes Herz, Gebet in heiliger Stunde steigt brünstig himmelwärts.
6. Da öffnen sich die Pforten, es tritt ein Mann herein, es hüllt
die starken Glieder ein Büßerhemde ein; er schreitet auf den Kaiser, er
wirft sich vor ihm hin, die Knie' er ihm umfasset mit tiefgebeugtem Sinn.
7. „O Brnder, meine Fehler, sie lasten schwer auf mir, hier liege
ich zu Füßen, Verzeihung flehend, dir. Was ich mit Blut gesündigt,
die Gnade macht es rein; vergib, o strenger Kaiser, vergib, du Bruder
mein!"
8. Doch strenge blickt der Kaiser den sünd'gen Bruder an: „Zwei
mal hab' ich vergeben, nicht fürder mehr fortan! Die Acht ist ausge
sprochen, das Leben dir geraubt, nach dreier Tage Wechsel, da fällt dein
schuldig Haupt!"
9. Bleich werden rings die Fürsten, der Herzog Heinrich bleich, und
Stille herrscht im Kreise gleich wie im Totenreich; man hätte mögen bören
jetzt wohl ein fallend Laub; denn keiner wagt, zu wehren dem Löwen
seinen Raub.
10. Da hat sich ernst zum Kaiser der fromme Abt gewandt, das
ew'ge Buch der Bücher, das hält er in der Hand; er liest mit lautem
Munde der heil'gen Worte Klang, daß es in alle Herzen wie Gottes
Stimme drang:
11. „Und Petrus sprach zum Herren: Nicht so? genügt ich hab',
wenn ich dem sünd'gen Brnder schon siebenmal vergab? Doch Jesus
sprach dagegen: Nicht siebenmal vergib, nein, siebenzigmal sieben, das
ist dem Vater lieb."
12. Da schmilzt des Kaisers Strenge in Thränen unbewußt, er hebt
ihn auf, den Bruder, er drückt ihn an die Brust; ein lauter Ruf der
Freude ist jubelnd rings erwacht. Nie schöner ward begangen die heil'ge
Weihenacht. v. Mähler.
88. Maley und Malone.
1. Auf einer Insel im Meere, da lebten der Hirten zwei;
der eine hieß Malone, der andere hieß Maley.
Sie hatten eine Herde von Schafen beid' ererbt;
die Erbschaft hat Malonen, sowie Maleyn verderbt.
2. Einst trieben sie zusammen; doch wie im Kriege ging's;
der wollte rechtshin treiben; der trieb dann wieder links.
Und endlich kam's zum Teilen, da blieb zuletzt ein Schaf.
Der Zank um dieses brachte sie erst um Ruh' und Schlaf.
3. Malone wollt' es schlachten. „Wir hau'n es dann entzwei!"
„Erst soll es Wolle geben!" behauptete Maley.
Maley bedurfte Strümpfe. „Komm, scheren wir es heut!"
Malone meint', es wäre zum Scheren nicht die Zeit.