Ich will nur erinnern an die Schweizer, wie sie, ein kleines Häuflein, ein kampfgerüstetes,
auserwähltes Heer, die Blume der österreichischen Reiterschaft — begünstigt durch ihre
Berge und Höhen — niederschmetterten und sich die Freiheit errangen, oder wie die
Tiroler französischer Übermacht standhielten. Solche Umstände waren es auch, welche die
Germanen im Rampfc mit den Römern begünstigten, und solche waren es, welche den
alten Germanen ihre Siege erleichterten und ihren Niederlagen die schlimmen Folgen
benahmen. Der römische Soldat, schwerbepackt, in die feste Rüstung eingezwängt, war
tauglich für den Rampf in der Ebene, da konnte er standhalten und Schlachten gewinnen;
wenn er aber in waldigen Gegenden kämpfen sollte, wo er überall zu straucheln fürchten
mußte, wo seine Reihen und Glieder beim Marsche sich lösen mußten, dann hatte er nicht
nur einen Feind an den ihm gegenüberstehenden Germanen, sondern auch am Boden des
Landes. Don Feinden in unbekannten Gegenden überall umgeben, wußten die Römer nicht,
gegen wen zuerst sie kämpfen, wohin sie die Geschosse richten sollten. Dazu kam der
sumpfige Boden in den dichten Waldungen Deutschlands. Oft mußten die Römer tief im
Schlamme waten, ein Umstand, der den Rampf für sie ganz besonders erschwerte. Doch
trat nicht diese Ungunst des Rampfplatzes auch den Germanen entgegen; Allerdings müssen
wir dies bejahen, aber teils waren sie an den Boden ihrer Heimat gewöhnt, sie waren
dort aufgewachsen und verstanden nicht anders als gerade auf diesem Boden zu kämpfen,
teils waren sie leichter bewaffnet als die Römer; nicht schwere eiserne Helme und Panzer,
nicht gewichtige Schilde führten sie, sondern ihre Ropfbedeckung von rohem Leder, ihre
Schilde von Holz und ihre Speere waren durch Brand gehärtete Stangen, wo die
Germanen alle diese Umstände für sich hatten, erfochten sie Siege; nur wenn sie in der
Ebene auf freiem Felde oder Mann gegen Mann mit den Römern kämpften, wurden sie
ungeschützten Leibes öfter geschlagen.
„Aber nicht die Gewalt der Waffen und die Stärke der Arme ist es," sagt Fichte in seinen
Reden an die deutsche Nation, „sondern die Rraft des Gemütes, welche Siege erficht."
Und diese verschaffte auch den Germanen die Überlegenheit über die Römer, wo lebte
eine Rraft des Gemütes in den Leeren, welche aus gedungenen Söldnern bestanden, die nur
für Geld und andere, nicht für sich oder Ehre, Ruhm und Freiheit kämpften und sich selbst
gegen ihre eigenen Führer meuterisch auflehnten, oder in den Soldaten, welche wohl dem
Namen nach Römer waren, aber nicht der Gesinnung; wie konnten gemietete und durch
Sittenvcrderbniö entnervte Truppen ohne Zucht und Ordnung siegen gegen ein Volk,
das mächtig durch ursprüngliche Naturkraft, stark durch Vaterlandsliebe und durch Ver
langen nach Unabhängigkeit, für den eigenen Herd, für die eigene Freiheit, für das
heimische Recht, für die heimischen Götter und Altäre kämpften; Es galt einen Rampf
der Entscheidung; alles stand auf dem Spiele, darum mußte alles gewagt werden, lind
diese feste Überzeugung, dieser innere moralische Zwang war es, der den germanischen
Leeren, wenn sie auch an Zahl schwächer waren als die römischen, diesen Ulangel über
reich ersetzte und sie stark genug machte, mit einem Volke zu kämpfen, das zwar damals
noch die Welt beherrschte, aber doch allen Halt verloren hatte, gleich einem Gebäude,
dessen Inneres die wütende Flamme verzehrt hatte, so daß nur äußere wände übrig
blieben, die von außen den Anblick gewähren, als sei das Haus noch unversehrt, wenn
nun auch die Römer einen Führer hatten, der an Renntnis der Rriegskunst wie an per
sönlicher Tapferkeit Arminius wohl gleichkam, wenn auch viele einzelne Soldaten großen
Mut zeigten und oft den Ruhm und die Ehre ihrer Väter nicht schändeten, so fehlte doch
dem Ganzen die Rraft des Gemütes, und diese gerade lebte in den alten Germanen.
Dürfen wir aber solche Rraft des Gemütes auch bei ihren Nachkommen voraussetzen,
dürfen wir sic unseren Geschlechtern mit Recht zuschreiben; Trotz der inneren Zer
splitterung und Haltlosigkeit des jetzigen Deutschlands, trotz der allseitigen Parteien
spaltung können wir, glaube ich, doch auch jetzt noch eine solche Rraft des Gemütes
annehmen; denn die Geschichte nicht langer Vergangenheit hat es bewiesen, wie bei dem
Andränge der Feinde von außen die Feinde im Innern sich einen, wie jeder parteihaß
und jede persönliche Leidenschaft schwindet und dem gemeinsamen Gefühle, der gemein
samen Begeisterung fürs Vaterland, für Freiheit zu kämpfen und zu siegen, urplötzlich
weichen muß.
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