boren bekam, zum ersten der freudigen Gedenktage meines Gebens wurde.
So war es vielleicht doch keine Ungerechtigkeit, daß ich am z6. September
das recht seltene Zeugnis „sehr guter Vorbereitung" und die silberne Richter-
Medaille erhielt. Als ich gegenwärtig den von mir zum Maturitätsexamen
binnen zweidreiviertel Stunden gelieferten deutschen Aussatz noch einmal
durchlas, erschien er mir doch so sehr als ein Beleg, bis zu welchem Grade
unser damaliges Gymnasium seine Schüler in rascher Konzentrierung brauch
barer Gedanken und in deren geschickter Fastung zu fordern verstanden
haben muß, daß ich den Aussatz hier abschriftlich anschließe. Ich bemerke
dabei, daß der Aussatz nicht etwa einen Gegenstand betraf, der im voraus
gegangenen oder einem früheren Semester vom Lehrer näher besprochen
worden war, sondern daß der Abiturient nur mit seinen eigenen Gedanken
arbeiten konnte. Solche in Aussätzen niederzulegen, werden meines Erachtens
die heutigen Schüler allzuwenig geübt. Dazu trägt auch wesentlich die Ent
wöhnung vom Briesschreiben bei und sein Ersatz durch Rartenbilder, die
nur Raum lasten, ein paar Worte beizufügen.
Deutscher Aussatz im Maturitätsexamen
(am rr. August 1849. Frist: 7 bis 12 Uhr; beendet 9% Uhr).
Über die Ursachen, warum den Römern die Unterjochung Deutschlands nicht gelungen ist.
Als der junge Pompejus, siegreich einst vom Rriege heimkehrend, von dem in Jahren
vorgerückten Sulla, dem glücklichen Bezwinger so vieler Länder und Volker, sich die Gunst
erbat, ihn einen Triumph feiern zu lasten, lehnte Sulla, eifersüchtig auf die steigende
Große und den Namen, den sich in kurzer Zeit ein noch nicht lange bekannter Held erworben,
diese Bitte ab. Da sagte Pompejus die berühmten Worte: „Bedenke, daß die Welt
nicht auf die untergehende, sondern auf die aufgehende Sonne blickt!" Die Wahrheit hier
von erkennend und wohl fühlend, daß seine Sonne wirklich im Untergehen war, gab
Sulla nach und ließ Pompejus triumphieren. Auch wir müsten anerkennen, daß jene Worte
des Pompejus nur zu oft im Leben ihre Anwendung finden und wenn wir dann auch
Schmerz empfinden, wenn es uns mit Trauer erfüllt, daß nicht bloß der Mensch selbst
vergänglich ist, sondern auch sein Name, seine Taten, sein Streben und sein wirken
allmählich der Vergangenheit anheimfällt, so blicken wir doch hoffnungsvoll und in
freudiger Erwartung auf eine aufgehende Sonne, auf eine junge Größe, folgen mit
Aufmerksamkeit ihrer Fortschreitung und Entwicklung und begleiten sie gern bis auf
den Punkt, wo auch sie eine untergehende wird.
wie wir aber diese Betrachtung bei einzelnen machen können, so auch bei Entwicklung und
Entartung eines ganzen Volkes. Mit Schmerz sehen wir Völker untergehen, mit Freude
seben wir sie von unbedeutenden Anfängen zu immer größerer Bedeutsamkeit beran-
schreiten. Ein solches Bild nun bieten uns die Römer dar, als sie im Rampfe lagen mit
den Germanen, sie, die untergehende Sonne, als sie der aufgehenden entgegenkämpfte,
welche Ursachen die Römer zur untergehenden, die Germanen zur aufgehenden Sonne
machte, welche Gründe den Römern die Unterjochung der Germanen mißlingen ließen, will
ich jetzt hier darzulegen versuchen.
Bei jedem Rampfe, bei jeder Schlacht gewinnt nicht Mut allein, nicht die Übermacht den
Sieg, sondern zu der inneren Rraft und den inneren Eigenschaften der Rämpfenden kommen
oft äußere Umstände, welche dem auf seine Rraft oder auf seinen Ulut, auf seine Rriegs-
zucht oder überzahl pochenden Rämpfenden so sicher gehofften Sieg aus den fänden
geristen haben, wie oft haben nicht kleine Scharen mit Hilfe der für sie günstigen <brt-
lichkeit des Rampfplatzes über die ihnen an Zahl weit überlegenen Feinde Siege erkämpft;