Höherallee ^aus und Garten besaßen, aber beide im Jahre 1S46 versterben,
so daß die Rinder von da an in jenem Hause allein wohnten. Der Sohn Rarl
war in meinem Alter und saß i§4§ mit mir in prima. Ein prächtiger,
breitschulteriger Mensch, bester Turner, tüchtig in der Schule, munter und
lebenslustig, huldigte er gleich mir dem Schlittschuhlauf, war mir aber in
der Runst desselben, ebenso wie im Turnen, weit voraus. Das große Bassin
der Aue war der allgemein benutzte und beliebte Platz zum Schlittschuh
vergnügen. Die Dachdeckerzunft batte das Privileg, dort Bahn zu kehren,
Stuhlschlitten und Schlittschuhe zu vermieten gegen Einkassierung einiger
Pfennige. Niemals wurde das ganze Bafstn vom Schnee reingebalten, son
dern nur im Anfange des Bassins eine elliptisch geformte Straße, auf der
sich der Eissport abspielte. Äußerste Seltenheit war es, wenn das Bassin
seinem ganzen Umfange nach dem Schlittschuhläufer freistand, weil es zufror
obne vorherigen Schneefall. So verhielt es sich am Schluß des Januar 1649.
An einem dieser Tage fuhr Rarl Engelhard eine junge Dame, der er sebr
zugetan war, im Schlitten. Das Schlittenfahren in dieser weise ergab sich
als übliches Vergnügen, weil damals noch keine Dame selbst Schlittschuh lief;
das weibliche Geschlecht promenierte in Gestalt von Müttern und Töchtern
am Ufer, einer Einladung zum Schlittenfahren harrend, wie auf dem Ball
einer Einladung zum Tanze. Da das Schlittenschieben und die dabei nicht
zu entbehrende gleichzeitige Unterhaltung der süßen Last eine große An-
strengung verursachte, war es üblich, daß die Rameraden desjenigen, der eine
Dame vom Ufer engagiert hatte, ihn ablösten und jeder von ihnen einmal den
Schlitten um die gekehrte Bahn herumfuhr. An jenem Tage konnte aber
Engelhard sich im Gefühle seiner Rraft nicht genug tun: er fuhr seine Dame
dicht am Ufer des spiegelblanken, schneefreien, enormen Bassins ohne Rast
und Rübe zweimal herum; dann überlieferte er sie wieder ihrer Mutter. Ich
traf ilm in diesem Augenblick; mit blaugerötetem, erhitztem Gesicht erzählte
er mir freudestrahlend seine Heldentat und stieß mit dem Absätze des Schlitt
schuhes ein Stück Eis aus dem Boden, sich den Durst zu löschen. Damit war
der Todeskeim in sein junges Leben gelegt, wäre noch Rettung möglich ge
wesen, so wurde sie ausgeschlosien durch eine neue Unvorsichtigkeit. Der
Gymnasialdirektor batte in den Räumen des Gymnasiums eine Abendunter
haltung für die oberen Rlasten mit Vorträgen und Tanz gestattet. Sie spielte
sich am z. Februar, also wenige Tage nach jenem Schlittschuhlauf, ab. Jeder
Schüler durfte zu dem Feste eine Dame seiner Verwandt- oder Bekanntschaft
laden; die Mutter Stölzel als Mutter des Primus wurde aufgefordert, die
Patronage des Damenkranzes zu übernehmen. In denselben fügte Engelhard
die nämliche junge Dame ein, der er auf dem Eise gehuldigt batte, und tanzte
mit ibr ebenso übereifrig, wie er hinter ibr kurz zuvor den Schlitten ge
schoben. Nach der mir vom Direktor gegebenen Weisung sollte nicht in der
So