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abgeschlagen. Ich war darüber nicht groß mißgestimmt; meine Zurück
haltung verdachte mir auch niemand; ich erinnere mich nicht, irgendwelchen
Tadel oder Spott gehört zu haben, wie sonst doch in den Schulen üblich
ist, wenn jemand von der Allgemeinbeit sich ausschließt. Mit dem wacht-
dienst waren natürlich auch Nachtwachen, Postenstehen, Biergelage ver
bunden, wie sie schlecht zur Schule paßten, Ob die junge Schutzwache schon
vor der sogenannten „Gardedukorps-Nacht" bestand oder erst durch sie
hervorgerufen wurde, weiß ich nicht mehr. Ich erlebte diese Nacht in der
Wohnung drei Treppen hoch, gegenüber dem großmütterlichen Hause und
sah von hier aus die Barrikaden an der Wilhelms- und Rönigsstraße bauen,
dre erst wieder verschwanden, nachdem der Rurfürst auf weiß' Rat die
Gardedukorps aus der Stadt verlegt und aufgelöst hatte. — In den Herbst-
ferien i§46 kam ich dazu, meine erste selbständige Reise zu machen. Der da
mals am Rintelner Obergericht tätige Obergerichtsrat Grandidier und seine
Schwestern hatten ihren Neffen Georg Gerland nach Rinteln eingeladen und
mich ihm zum Begleiter erwählt. Es ging über Rarlshafen. Ob dortbin da
mals schon die Eisenbabn fuhr, weiß ich nicht mebr. Am Weserufer, wo zu
unserer Erheiterung das Wirtshausschild mit dem schönen Verse lockte:
Hier bekommt man Brot und Branntewein,
Und Fische, wann sie gefangen sein —
bestiegen wir das Dampfschiff, das uns nach Hameln fübren sollte. Statt
deffen setzte es uns aber vor Hameln wegen des, wie bäufig, auch diesmal
seichten waffers mitten im Fluß auf den Sand. Auf die Frage, wo wir feien,
bieß es: unfern des Dorfes „Oos". Hier batten die Tanten Schmidt und die
Mutter Gerland die pfarrerin Pape zur nahen Freundin, die wir von Hameln
oder Rinteln aus besuchen sollten. Das ließ sich nun desto einfacher bewerk
stelligen; nach freundlich gebotenem Empfange und Nachtlager zogen wir
anderen Tages mit der Post weiter. Der vierzebntägige Aufenthalt im Haufe
des Obergerichtsrates Grandidier sagte uns Jünglingen ausnehmend zu; an
dem klugen, rubigen, liebenswürdigen Manne sah ich gern empor und freute
mich, mit einem solchen Manne einmal näheren Umgang pflegen zu können.
Dabei gab es reichliche Gelegenheit zu Ausflügen in die Umgegend. Ein
paar dort aufgenommene Bleistiftzeichnungen besitze ich noch.
Im Frühjahr )S49 traf mich der herbste Schmerz, den ich bis dahin zu er
fahren gebabt hatte. Er überstieg den Schmerz um den Verlust der Groß
mutter, der mich wenige Wochen zuvor traf; denn sie ging im achtzigsten
Jahre nach langem, schwerem Rrankheitslager heim, von dem der Tod ihr
eine Erlösung brachte, und den Schmerz um den Tod des Vaters tief zu
fühlen, war ich mit sieben Jahren noch zu jung.
Ich verlor den liebsten meiner Mitschüler, der mir besonders nabegestanden,
Rarl Engelhard, deffen Eltern oberhalb unserer Wohnung in der Wilhelms-