Full text: Festschrift zum 150. Jubiläum des Staatlichen Friedrichsgymnasiums zu Kassel

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der 2lnstalt einschließlich der Über- und Rückfahrt über die Fulda und ein 
schließlich des Schwimmunterrichts frei. Schwimmhose und Handtuch mußte 
jeder mitbringen. Der Lehrer war anfänglich ein alter Franzose namens 
Tollet, der das Deutsche nur radebrechte, später loste ihn sein Sohn ab, 
der zugleich Goldarbeiter war. Zunächst legte der Lehrer den Schüler über 
einen Stuhl am Lande und lehrte ilm, die Arme und Beine hin- und her 
ziehend, die Schwimmbewegungen, dann folgten Übungen im Wasser; der 
Lehrer führte den Schüler an der Leine, auch standen dem Schüler Kork- 
hölzer zur Verfügung, die ihn trugen, wenn er sich auf die Gurte legte, 
mit denen die Rorkhölzer verbunden waren. Der Unterricht galt als abge 
schloffen mit dem „überschwimmen", einer Art von Prüfung, die darin be 
stand, daß der Schüler zu dem Versuch verstattet wurde, neben einem Schiffe, 
das ihn zu seinem Schutze begleitete, über die Fulda an das jenseitige Ufer 
und zurück zu schwimmen. Gelang das, so war das Recht erworben, überhaupt 
frei außerhalb der Anstalt zu schwimmen. So ziemlich jeder erwarb das 
Recht, auch ich. Die besten Schwimmer sprangen oft von hoher Leiter, eine 
„Tete" machend, ins waffer. Dazu habe ich mich nie emporschwingen können, 
ich ging aber möglichst täglich (nach der Vlachmittagsschule) ins Bad; j6—)$ u 
Reaumur war die Durchschnittstemperatur, wenige Male habe ich auch noch 
bei )3° gebadet, fand das nicht gerade aber einen Genuß. — Ein ganz be 
sonderes Ereignis war es, daß in meinem vorletzten Semester ein preu 
ßischer Artillerieleutnant a. D. Scharff, Lehrer der „Mnemonik", die Er 
laubnis erhielt, im Gymnasium denjenigen Schülern, die Lust dazu hatten, 
Unterricht in seiner Kunst zu erteilen. Ich ergriff gleich vielen mit Freuden 
die Gelegenheit und bereue es nicht. Leistete freilich die Mnemonik für den 
praktischen Gebrauch nicht das, was ihr Lehrer davon versprach, so befähigte 
sie doch, manche Geschichtszahlen ohne Schwierigkeit dauernd festzuhalten, 
leistete auch sonst Unterstützung im Auswendiglernen und lehrte namentlich 
eine Anzahl außerordentlich überraschender Kunststücke zur Erheiterung 
geselliger Kreise. Alsbald in der ersten Stunde lernten wir an 52 in Ver 
bindung gebrachten Schlagwörtern die bekannte Ludolphsche Zahl mit 154 
Dezimalstellen auswendig hersagen, eine Leistung, die sicher ohne 
Mnemonik niemandem je gelingen wird. Ich habe das von Scharff Gegebene 
in zwei Heftchen alsbald nach dem Unterricht ausgearbeitet und mir zugleich 
eine Tabelle für die Schlagwörter sämtlicher 999 dreiziffriger Zahlen auf 
gestellt, die für Anwendung der Mnemonik in Frage kommen können. Aus 
diesen Materialien wird man ein genaues Bildchen gewinnen, was die 
Mnemonik will und leistet. 
Lege ich dazu noch die schönen plastischen Lösungen, die unser Mathematik- 
lehrer Grebe vom pythagoreischen Lehrsatz gab, das nach dem Geographie 
lehrer Schwab ausgearbeitete Heft über „mathematische Geographie", wie
	        
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