Aus den Lebenserinnerungen
des wirklichen Geh. Rats Or. Adolf Stölzel
Aus der Schulzeit 1639—1649
Der Verfasser leitet das zweite Heft seiner Lcbenscrinnerungcn: Haus und Schule
l8;y—1849 ein mit den Worten, die mir bedeutungsvoll erscheinen für die feine,
weiche, empfängliche Art des früh vaterverwaisten Rnaben, der troydcm als
primu» omnium das Friedrichsgymnasium verließ: „wie weife hat es doch der
liebe Gott eingerichtet, daß er so oft den Eltern ein paar treffliche Tanten zur
Seite gegeben hat, die Fehler wieder gut zu machen, welche die Eltern in der Er
ziehung ihrer Rinder begehen." Das sagte einst der witzige Freund des Schmidt-
fchcn Kaufes in Raffel, Staatsanwalt (spater Vberappellationsrat) Büff, zu meiner
Mutter, als sie einmal zu erkennen gab, wie wenig angenehm sie empfand,
wenn ihre Schwestern an meinem Bruder und mir andere Erziehungsgrundsätze
zur Geltung bringen wollten als sie.
Er schließt das Rapitel Haus mit den Worten: Nach allem bisher Gesagten
herrschte in meiner Erziehung der Einfluß des weiblichen Elementes stark vor.
Die Gelegenheit, einsichtsvolle Männer über die Lebensaufgaben des Mannes oder
über die großen Ereignisse des Tages, über Wissenschaft oder Runst, über heimische
und fremde Literatur urteilen oder sich unterhalten zu hören, ist mir niemals
geboten gewesen in meiner Jugend, was an männlicher Leitung mir zuteil
werden konnte, fiel allein der Schule anheim.
Schule.
Öffentliche Anstalten, die zum Gymnasium vorbereiteten, gab es im Jahre
IS39 noch nicht. Der Gymnasialkursus war vom neunten Jabre ab auf neun
Jahre berechnet. Die Vorbereitung dazu lag privatschulen ob. Eine solche
Schule hielt Pfarrer Landgrebe in Raffel. Ihr wurde ich alsbald nach
unserer Ankunft dort, also zum dritten (Quartal j£?9, genau mit meinem
achten Jahre zugeführt und blieb darin fünf VierteljaKre bis zu dem ersten
Zeitpunkt der Möglichkeit, in das Gymnasium, „Lyceum Fridericianum" ge
nannt, einzutreten, das einzige damalige Gymnasium in Raffel. Die drei
von Landgrebe mir ausgestellten Zeugnisse (für das dritte (Quartal 1S39 und
für die beiden folgenden Semester) stnd günstig, reden aber einmal von
„einigem gezeigten Mutwillen" und zweimal von „nicht genügend schöner
Schrift". Der Schreibledrer stebt mir noch als ein recht derber, unange
nehmer Mensch vor. Ich erinnere mich, daß ich nach einem Tadel meiner
Schrift mir das nächste Mal ganz besondere Müde gab, aber nach falscher
Richtung hin. Es war gerügt worden, daß ich die Grundstriche nicht kräftig
genug von den Haarstrichen unterschied, desbalb drückte ich bei den Grund-
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