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Bestehen endgültig aufgelöst. — Inzwischen also war der Primanergesang
verein ins Leben getreten. Jeder weiß, daß altere Schüler derartige
Einrichtungen, wenn sie von den Lehrern ausgeben, als einen unange
nehmen Zwang empfinden, dem sie sich nur ungern fügen. Aber Vogt geborte
nicht zu denen, die sich leicht einschüchtern lasten, was er einmal anfaßte,
das faßte er mit fester Hand an. Und er fetzte in diesem Falle seine ganze
Person ein, das begonnene Werk durchzuführen. Fast zehn Jahre hat er
jeden Sonnabendabend, ausgesucht den Abend, auf den als den schönsten
weil sorgenfreisten, bekanntlich jeder Lehrer sich die ganze Woche hindurch
freut, seinem neuen Verein geopfert. Mit dem Glockenschlag sieben saß er
an seinem Platze in der Rrone, später bei Losch, im Lesemuseum, in dem
Auewirtshaus, bei Verzett, oder wo sonst der Verein tagte, und harrte
aus, bis mit militärischer Pünktlichkeit um zebn Uhr Schluß gemacht wurde.
Reine Rücksicht auf die Familie oder auf Freunde ließ ibn seinem Vorsatz
untreu werden. Es kam vor, daß er bei einer Partie des Guartettvereins,
desten begeistertes Mitglied er war und dem wohl seine besten Freunde
angehörten, plötzlich verschwand, um rechtzeitig bei seinen Primanern zu
sein. Eine solche Eingebung, eine solche pflichttreue konnte nicht ohne Ein
druck auf die Schüler bleiben. Vogt setzte seinen willen durch. Und was
erst vielleicht Zwang und Druck von oben war, dem man sich bei der Autorität
des Direktors nicht gut entziehen konnte, das wurde bald Bedürfnis und eine
liebe Gewohnheit. Festlichkeiten, Rbein-, Rbön- und Harzfahrten, Ausflüge
mit Damen erhöhten rasch die Liebe zu dem Verein, und immer wieder
machte sich die jugendliche Begeisterung Luft in dem „stolzen Adler". Rudolf
Brede war und blieb Vogts treuer Mithelfer, und die Mustk, vor allem der
Männergesang, bildete jahrelang die Grundlage des Vereins. Flaute die
musikalische Begeisterung einmal ab oder sank die Stimmung, weil der
gesangliche Erfolg hinter den Erwartungen zurückblieb, so wußte Brede sie
durch sein temperamentvolles, wunderbares Geigenspiel von neuem zu ent
flammen. Vogt hat diesem von ihm gegründeten Verein seine Liebe und sein
wärmstes Intereste bis zu seinem Code bewahrt, und noch kurz vor seinem
Ende hat er Brede das Versprechen abgenommen, ihn als sein Vermächtnis
anzusehen und ihm weiter ein treuer Leiter, Freund und Beschützer zu bleiben.
Brede hat dies Versprechen gehalten, wenn er dem Verein auch infolge
des zunehmenden Alters nicht mehr so viel Zeit wie in früheren Jahren
widmen konnte, wie sehr alle Mitglieder des Vereins, besonders die älteren
Jahrgänge, den beiden Gründern ihre Dankbarkeit allezeit bewahrten, dafür
legt das Grabdenkmal Vogts* und die Bredestiftung ein beredtes Zeugnis ab.
* Das von einem Verwandten Vogts, Hugo Lauer in Kreuznach, angefertigte Denkmal
wurde am )5. Juni 1015 eingeweiht; 107 Mitglieder hatten 2700 Mark gestiftet. Auch
Kaiser Wilhelm war mit einer Summe von doo Mark beteiligt. Die Weiherede hielt
Pfarrer Ruetz.