Full text: Festschrift zum 150. Jubiläum des Staatlichen Friedrichsgymnasiums zu Kassel

Maße wuchsen die Anforderungen, die an die Schulen gestellt wurden. 
Bald rückten nach allen Richtungen kleinere und größere Kommandos ab unter 
Leitung von Vertrauensschülern und unter Oberaufsicht eines Lehrers, der 
die Arbeitsstellen abwechselnd aufsuchte, um nach dem Rechten zu sehen und 
etwaige kleine Mißhelligkeiten zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu 
schlichten. Solche kleine Reibungen ließen sich begreiflicherweise nicht ganz 
vermeiden, war es doch ebenso schwer für den Gutsherrn und Bauern, sich 
gegenüber so ungewohntem Arbeitermaterial an den richtigen Ton und die 
entsprechende Behandlungsweise zu gewöhnen, wie für diese z. T. noch halben 
Rinder, sich in die Rolle eines Rnechtes oder Tagelöhners hineinzufinden. 
In: ganzen ist das redliche Bemühen der jungen Hilfsarbeiter und der 
Arbeitseifer sowohl von den einzelnen Landwirten wie auch von der Land- 
wirtschaftskammer durchaus anerkannt worden, und die letztere hat vielen 
Schülern ein dauerndes Zeichen der Anerkennung und des Dankes in Form 
eines Abzeichens verlieben. Viel beschwerlicher als die Sommerernte war 
die Herbsternte bei oft schon recht kaltem und nafiem Wetter. Den ganzen 
Tag auf den Kartoffeläckern zu hocken oder gar bis in den November Rüben, 
besonders Zuckerrüben,zu ziehen, das ist eine so sauere und anstrengende 
Arbeit, daß selbst unser ländlicher 2lrbeiter oft versagt und nur der beschei 
denere und ausdauerndere Pole noch zu brauchen ist. 2lber auch diese schwere 
Arbeit haben unsere Schüler mit rühmenswertem Fleiß und großer Gewiffen- 
haftigkeit erledigt, und es war für den betreffenden Lebrer, dem dieser Be 
trieb unterstellt war, eine herzliche Freude, bei seinen Bestchtigungsreisen 
festzustellen, daß jeder nach Rräften den ihm zugewiesenen Posten auszufüllen 
suchte. Unsere landwirtschaftlichen Rolonieen erstreckten sich bis weit ins 
Land: in Weimar, Ehrsten, stimme, Rarlsdorf, Grebenstein, Rörle, Alt 
melsungen, Dorla, Frielendorf, Udenborn, Felsberg, Sieberhausen, Gilser 
berg, Weißenhasel, 2lsbach, Vollmarshausen, Harmutsachsen und noch manchen 
anderen Orten saßen unsere Jungen bald acht, bald vierzehn Tage, auch 
drei bis vier Wochen und länger, und arbeiteten unverdroffen, wenn es auch 
manchem schwer wurde. Jetzt wurde den zum Teil verwöhnten und verzärtelten 
Stadtkindern erst einmal klar, was ländliche Arbeit bedeutet. Von früh bis 
spät bei wind und Wetter auf schmutzigem Acker zu arbeiten, draußen 
auf dem Felde oder auf hölzernem Schemel am ungedeckten Tisch die einfache 
ländliche Rost zu verzehren, auf hartem Strohsack in zugiger Bodenkammer 
zu schlafen, das war nicht so einfach. 2lber das Bewußtsein, dem bedrängten 
Vaterland in seiner Plot zu helfen, mußte alles Mißbehagen verscheuchen, 
alle Klagen zum Schweigen bringen. Zweifellos hat diese gemeinsame kame 
radschaftliche Tätigkeit auch erziehlich auf alle einen günstigen Einfluß aus 
geübt und vielleicht bei manchem den Grund zu sozialerem Empfinden ge 
legt. — Für die Schule war es bei solchen Störungen natürlich nicht leicht,
	        
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