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werden. VUer als Schüler oder als Lehrer diese Zeiten miterlebt hat, denkt
mit Grauen an die geradezu unwürdigen Verhältnisse zurück. Alles drängte
längst zur Gründung eines zweiten Gymnasiums. Es fragte sich nur, wer
die Rosten tragen sollte, Stadt oder Staat. Ein Vergleich führte endlich zum
Ziele. Die Stadt schenkte im großen Iubiläumsjahre )$70 als Festgabe einen
außerordentlich günstig gelegenen Bauplatz, einen Teil des Kanarischen
Parks, und trat zugleich dem Staat, dem sie bis dahin nur den Nießbrauch
zugestanden hatte, jetzt ihr Eigentumsrecht am Lyceumsgebäude in der
Rönigsstraße ab. Endlich gewährte sie noch eine Geldbeibilfe, indem sie die
Rosten der Parallelklassen übernahm, die den Grundstock des neuen Gym
nasiums bilden sollten. Im Jahre )S8? wurde der Neubau begonnen, und
schon nach drei Jahren stand er fertig da, die „Eulenburg", wie er mit
zweifacher Anspielung genannt wurde. Nun konnte der junge Schwarm aus-
siiegen und ein neues Reich gründen. Mit neun gerbst- und vier Ester-
klaffen eröffnete der aus Eutin in seine alte Heimat zurückgekehrte Direktor
Dr. Friedrich Heußner Estern iSSö in dem stattlichen Bau das neue Doppel
gymnasium, dem der Raiser durch Erlaß von: 17. März iSSö den Namen
„wilhelmsgymnastum" verlieh, während das Lyceum Fridericianum von
diesem Tage an den Namen „Friedrichsgymnasium" erlüelt. Am Schluffe des
Winterhalbjahres versammelte Vogt zum letzten Male die ganze Schul
gemeinde in der Turnballe und nabm mit herzlichen Worten von den
scheidenden Schülern Abschied. Noch ergreifender war der Abschied von den
Amtsgenoffen im Lehrerzimmer. Mit einem Schlage schrumpfte der Riese
zu einem Zwerge zusammen. Die Höchstzahl der Schüler wurde von der
Behörde, den vorhandenen Räumen entsprechend, auf 270 beschränkt.
Von den Lehrern blieben am Friedrichsgymnasium zurück: Vogt, Weber,
Riedel, Zuschlag, Paulus I, Rius, Stoll, Hüpeden, Paulus II, Heermann,
praetorius II, Brede, Bättenhausen.
An die Tochteranstalt gingen über: Auth I, praetorius I, Rrämer, Auth II,
Püttgen, Wagner, Langsdorf, Manns, Zülch, Franz, Eigenbrodt, Bochröder,
Bleckmann, Sunkel, Stern und Fürer. —
Alles atmete erleichtert auf, als endlich normale, reinliche, übersichtliche Ver-
hältniffe eintraten, als die Schüler die ilmen zustehenden Rubikmeter Luft
erhielten, als der Direktor sich ein anständiges Dienstzimmer einrichten durfte
und die Lehrer einen menschenwürdigen Raum fanden, in dem sie die pausen
und Zwischenstunden verbringen konnten. Als nun gar das ganze Gebäude
unter Leitung des Baurats Schuchardt neu hergerichtet und innerlich und
äußerlich völlig instandgesetzt war, da waren alle seine Bewohner so glücklich
und so stolz auf ihr altes „Pennal", daß keiner daran dachte, das wilbelms-
gymnastum um seinen vornehmen Neubau zu beneiden. — Das pietäts-