Full text: Festschrift zum 150. Jubiläum des Staatlichen Friedrichsgymnasiums zu Kassel

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Schule an die Rieche war nicht nur eine äußerliche, räumliche. Die Refor 
mation wich in dieser Einsicht nicht von der alten Rirche ab und sah das 
Heil nur in engstem Anschluß der Schule an die Rirche. In der Tat bat die 
Rirche aus die neugegründete Lateinschule Jahrhunderte hindurch den größten 
Einfluß ausgeübt und in der Schule immer eine ancilla theologiae gesehen. 
Die Schüler wurden streng religiös erzogen. Sechs- bis neunmal wöchentlich 
fanden Andachten in der Rirche statt, und der Besuch des Sonntagsgottes 
dienstes war selbstverständlich pflichtmäßig. 
Die Rirche mußte sich zwar mit der Stadt in die Beaufsichtigung und 
Verwaltung teilen, aber die maßgebende Persönlichkeit, der Scholarch, war 
bis zum Jahre 1779 der Superintendent; er, bzw. das Ronststorium, bildete 
die oberste Instanz in Verwaltungsfragen. Im Sinne Philipps, der die 
Schule unter den Schutz der Rirche gestellt batte, war und blieb die Anstalt 
ein Anhängsel der Martinskirche. Selbst als sie 1779 äußerlich losgelöst 
und in einen anderen Bezirk verlegt wurde, blieb sie bei ihr eingepsarrt, und 
bis in die neuesten Zeiten hatten die Lehrer des Gymnasiums einen besonderen 
Stand aus der Empore. — 
Ursprünglich eine Trivialschule*, eingerichtet nach dem aus Luther und 
Melanchtbon zurückgehenden sächsischen Lehrplan, sah ste sich später ver 
anlaßt, um sicheren Anschluß an die Hochschule zu gewinnen, auch Griechisch, 
Matbematik und Philosophie unter die Lehrfächer aufzunehmen. — Die 
Anforderungen an die Schüler waren hoch, und es wurde fleißig gearbeitet. 
Schon früh um 5 Ubr begann der Unterricht und nahm täglich sechs bis sieben 
Stunden in Anspruch, wenn die in 45 Paragrapben niedergelegten Schul 
gesetze** wirklich durchgeführt sind, so muß eine strenge Zucht in der Schule 
geherrscht baben. — Neben den wissenschaftlichen Fächern wurde auch die 
Musik gepsiegt. Es bandelte sich natürlich vorwiegend um geistliche Musik, 
und der Sängerchor batte besonders die Ausgabe, zur Verschönerung des 
Gottesdienstes beizutragen. Aber diese sog. partimschüler verwandten ibre 
Runst auch, um durch Umsingen in den Däusern reicher Bürger, besonders 
zwischen den Jahren, sich kleine materielle Vorteile zu verschaffen und „par- 
teken" einzuziehen.*** — Ein neues Leben zog in die Schule ein, als im 
Jahre )5Si der Ronrektor Iodocus Iungmann aus Torbach hierher berufen 
wurde. Die Erfahrungen, die dieser — unter dem Einfluß der Sturmschen 
Lehrmethode — in Torbach gemacht hatte, wo er bei der Umwandlung der 
dortigen Trivialschule in ein Gymnasium tätig mitwirkte, verwandte er nun 
* Niedere Schule, in der nur das trivium Grammatik, Dialektik und Rhetorik gelehrt 
wurde. 
** Vergl. Weber a. a. <£>. S. z5 ff. 
*** Luther gehörte bekanntlich auch einem solchen Thor an und nannte sich deshalb ge 
legentlich p>artekenhcngst.
	        
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