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Vor dem Dachstein
Esten und dem Berchtesgadener
watzmann im Westen, dann emp
findet man die Allmacht Gottes
und seiner unbegreiflich schönen
Werke, lind mitten in diese
Zauberwelt hinein ein Gottes
dienst in Sonntagsfrühe auf der
Hochwiese am Heim: zwei Geigen
präludieren ein zweistimmiges
Solo von Gorelli in die blaue Luft
hinein: rings an den Rändern der
Hochwicsen die stolzen Berge, fern
im Süden der blinkende Dachstein
gletscher, eine fromm-freudige
predigt von Herrn Pfarrer Gon
rad, — oder nicht minder ergrei
fend in der kleinen Diasporakapel
le, die wir Evangelische seit Iahr-
hunderten mal wieder füllten,
ein greiser Prediger, ein feurig-
geistiger Gottesmann, mit den
evangelischen Resten aus der Zeit der Gegenreformation. Reiner kann
stch dem schönen Land entziehen, hiervon verspreche ich mir den nach
haltigsten Eindruck auf die jugendlichen Seelen. Die stolze Erhabenheit der
Landschaft verändert bald die Einstellung zur Ulatur, man verliert zunächst
den heimatlichen Maßstab, aber nach einer Woche bat man Abstand
gewonnen, um mit dauerndem Gewinn beobachten zu können,
llnd dann nur acht bis neun Regentage.* Aber was für Regentage! Um
Ruppen und Höhen wirbeln Wolkenfetzen, von allen hängen stürzen waster-
bäche, oft senkrecht, herunter, die sonst so sanfte Graun donnert, ein wilder
Strom, zu Gal. Das find unvergefiene Eindrücke, sie haften ewig. Gott redet
zu den Menschen im Gebirge eine andere Sprache als zu den Ulenschen der
Ebene, wer das erlebt, besten Gefühlsleben ist tief und für Lebenszeit
ergriffen. Ulan begreift, daß fromme Nlalerei und Herrgottsschnitzkunst in
den Bergen immer wieder neue Heimstätten fanden, und daß die Lieder hier
oben kein Ende nehmen. Zudem lebten wir inmitten eines kerndeutschen
Stammes, der aus seiner Sehnsucht, ins Reich zurückzukehren, kein Hehl
macht. Ich persönlich bin dem Anschlußgedanken gegenüber skeptisch in die
Steiermark gefahren und kehre als ein begeisterter Freund des 2lnfchluß-
* „Heuer babn mer an Sommer!" sagten stolz die Steirer, in deren Land, wie eine garstige
Sage kündet, die Säuglinge mit einem Regenschirm geboren werden.
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