Full text: Friedrich A. W. Murhard, (1778 - 1853), Staatsrechtler und politischer Publizist im vormärzlichen Liberalismus (Teil 1)

h) Die welaität Kache Aufklärung und das nationale 
Desinteresse, 
Auch in Murhsrds Denken beginnt schließlich das bei einer 
nicht geringen Zahl führender Köpfe, besonders unter den 
Üissenschaftlern der Kochschulen, lebendige Verlangen 
nachsveiner neuen Praxis des. Staats- und: Geseilschaftslebens 
eine Rolle als polis sche Sikldungsskraft (zu rsptelen, Dahin 
gehören das ständige Verlangen nach einer Verbesserung 
aller reformbedürftigen Institutionen durch ‚einen "guten 
Fürsten", ebenso aber zunächst. völlig vazge‘gehaltene Vor= 
stellungen von einem neuen Solidaritätsgefühl, das keines= 
wegs an den engen Grenzen einer geliebten Heimat Halt macht 
sondern in einem weitreichenden Universalismus und Pazi= 
fismus die gesamte Menschheit zu einer neuen Gemeinschaft 
im Rahmen des Möglichen zusammenführen will. 
So hört er den aus Leipzig berufenen Mathematiker, der als 
einer der @rsten in Deutschland Montesquieu übersetzt, auch 
politisch höchst interessierten Professor Kestner. Kestner 
ist mit einer Französin verheiratet, unterhält während des 
siebenjährigen Krieges gleich Pütter und Michaelis und dem 
Kantschüler Lichtenberg einen lebhaften Verkehr mit den 
Offizieren des französischen Okkupationscoros. In diesen 
Kreisen, in denen man sich über die deutschen "Bardensän8 
ger" lustig macht, geht der junge @ Assistent Murhard ein 
und aus. Dort hört und erfährt er, wie der deutschen aka= 
demischen Jugend die Weltsicht verstellt wird, die in 
viel größerer Weite den jungen englischen Kommilitonen, ja 
selbst den kommerziellen Göttingem Juden offensteht,. Sogar 
üie oft zwielichtigen Affären der Göttinger "Universitäts= 
mamsellen"helfen mit, daß der junge "Kasseläner" vor dro= 
Gv. Selle hender völkischer Enge bfahrt bleibt ( ). Natürlich 
vermittelt solche komplexe Gedanken der verehrte Lehrer 
Schlözer. Schlözer ist alles andere als unempfindlich für 
Heimat und Vaterland; aber die damals aufkommende Überhig= 
zung dieser Emotionen vergleicht er mit "der Gewöhnung der 
Kuh an ihren Stall". Vaterland und Monarch sind Zrfindungen 
von Menschen. Murhard gewinnt auf solche Weise sein lebe= 
langes Desinteresse an allem Nationalistischen. Dafür 
Sauscht er die ebenso gewichtige Erkenntnis ein, daß einzig 
die kulturelle Leistung die Größe Deutschlands ausmachse. 
Eine typische Fehlerkenntnis des Frühliberalismus.
	        
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