h) Die welaität Kache Aufklärung und das nationale
Desinteresse,
Auch in Murhsrds Denken beginnt schließlich das bei einer
nicht geringen Zahl führender Köpfe, besonders unter den
Üissenschaftlern der Kochschulen, lebendige Verlangen
nachsveiner neuen Praxis des. Staats- und: Geseilschaftslebens
eine Rolle als polis sche Sikldungsskraft (zu rsptelen, Dahin
gehören das ständige Verlangen nach einer Verbesserung
aller reformbedürftigen Institutionen durch ‚einen "guten
Fürsten", ebenso aber zunächst. völlig vazge‘gehaltene Vor=
stellungen von einem neuen Solidaritätsgefühl, das keines=
wegs an den engen Grenzen einer geliebten Heimat Halt macht
sondern in einem weitreichenden Universalismus und Pazi=
fismus die gesamte Menschheit zu einer neuen Gemeinschaft
im Rahmen des Möglichen zusammenführen will.
So hört er den aus Leipzig berufenen Mathematiker, der als
einer der @rsten in Deutschland Montesquieu übersetzt, auch
politisch höchst interessierten Professor Kestner. Kestner
ist mit einer Französin verheiratet, unterhält während des
siebenjährigen Krieges gleich Pütter und Michaelis und dem
Kantschüler Lichtenberg einen lebhaften Verkehr mit den
Offizieren des französischen Okkupationscoros. In diesen
Kreisen, in denen man sich über die deutschen "Bardensän8
ger" lustig macht, geht der junge @ Assistent Murhard ein
und aus. Dort hört und erfährt er, wie der deutschen aka=
demischen Jugend die Weltsicht verstellt wird, die in
viel größerer Weite den jungen englischen Kommilitonen, ja
selbst den kommerziellen Göttingem Juden offensteht,. Sogar
üie oft zwielichtigen Affären der Göttinger "Universitäts=
mamsellen"helfen mit, daß der junge "Kasseläner" vor dro=
Gv. Selle hender völkischer Enge bfahrt bleibt ( ). Natürlich
vermittelt solche komplexe Gedanken der verehrte Lehrer
Schlözer. Schlözer ist alles andere als unempfindlich für
Heimat und Vaterland; aber die damals aufkommende Überhig=
zung dieser Emotionen vergleicht er mit "der Gewöhnung der
Kuh an ihren Stall". Vaterland und Monarch sind Zrfindungen
von Menschen. Murhard gewinnt auf solche Weise sein lebe=
langes Desinteresse an allem Nationalistischen. Dafür
Sauscht er die ebenso gewichtige Erkenntnis ein, daß einzig
die kulturelle Leistung die Größe Deutschlands ausmachse.
Eine typische Fehlerkenntnis des Frühliberalismus.