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ventsprotokolle nach dieser Richtung hin aufmerksam ‚durchsieht, so
kommt man zu dem Schluss, man darf den ehrwürdigen Alten das
ehrenvolle Zeugnis nicht vorenthalten, sie haben ihrer Aufgahe im Gan-
zen ehrlich und treu, zur Ehre der Kirche, ohne Ansehen der Person,
im Geiste aufrichtiger Gottesfurcht und aufrichtiger Bruderliebe und
Sanftmut zu genügen gesucht,
Der Hochwürdige Herr Inspector musste selbst den Anfang ma-
chen, die enge Pforte der censura morum hindurch zu passieren. So
hat bei dem Convent zu Wachenbuchen am 6. 7. 1615 Inspector re-
verendisimus D°- Sebastianus Seydelius abtreten müssen und haben, als
er wiederum erschienen, die sämmtlichen Herren Fratres Gott gedankt,
dass wir ihn zum Vorgänger und gleichsam zum Vater haben, bitten
Gott den Herrn, dass wir ihn lang behalten und seine Lehr recht lang
brauchen mögen.
Auf dem Convent vom 19. 8. 1641 ebendaselbst wird dagegen
an den Herrn Inspectorem Henricum Oraeum begehrt, 1) dass er der
Kürze in seinen Predigten sich befleissigen wolle, 2) dass er so viel die
Mittelding betrifft, in specie des Kniefallens wegen ein wachendes Aug
haben wollte, dass eine feine harmonia in der Stadt und auf dem Lande
gesehen werden mögte, und endlich 3) weil sie die Landpastores von
einem hie und dem andern da unfreundlich angeschnaubet und oft raw und
unverantwortlich angefahren würden, sonderlich wann sie Besoldung be-
gehrten, dass er als Inspector doch über ihnen halten und vor sie reden
wolle, wie sichs gebührt, welches ist sobald ihm Herrn Inspectori an-
gezeiget worden. Doctrinam et vitam könnten sie nicht tadeln. —
D°- Oraeo pastori Bruchkebelano ist am 18. 12. 1616 freundlich
untersagt worden, er sei in etwas zu vehemens in seinen Sachen. Das
hat er teils bekannt et cum gratia angenommen, teils aber mit der
Aussersten Bosheit und Widersetzlichkeit seiner Zuhörer, dass ein solches
erfordert werde, entschuldigt.
D°- Martino Heilmann ist bei eben dieser Gelegenheit bescheident-
lich vorgehalten und untersagt worden, dass das Geschrei gienge, er
wäre dem Weintrinken in etwas zu viel zugetan, also dass er auch et-
liche mal bis in die lange Nacht dabei sitzen bliebe. Dannenhero er
hiebevor von einem oder dem andern erinnert, weil es nahe am Sonntag
war, ob er nicht bedenke, was er morgenden Tags zu verrichten habe.
Darauf er damalen soll geantwortet haben: Er hätte nun so lange Zeit
gepredigt, er dürfe nit eben für diesmal auf eine neuere Predigt stu-
dieren etc. — Auf diese wolgemeinte christbrüderliche Erinnerung hat
er eine vast harte Antwort geben, nämlich dass diese Vorbringung nit
allein falsch und ein splendidum mendacium sei etlicher Ohrenbläser,
sondern auch wider die Conventsordnung, welche klärlich ausweiset, die
Censores sollen keine ungewisse, viel weniger unwahrhafte Dinge dem
Nächsten zur Confusion vorbringen, observata regula Christi, Matth. 18.
Hierauf ist ihm geantwortet, ungern hätte man ihm dieses in Consessu
fratrum vorgehalten, aber weil davon ein gemein Geschrei unter den
Nachbarn gienge, so hätte mans ihm nit verhalten sollen.