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Auch Keiner seiner Collegen aus der Nähe oder aus der Ferne hat es
für angemessen erachtet, am Grabe zu erscheinen, um durch Wort
Gottes und Gebet in Gegenwart einer leidtragenden Gemeinde dasselbe
zu weihen, das verdorrte Gebein für den Tag der Auferstehung und
seiner herrlichen Verklärung einzusegnen und die abgeschiedenc Seele
in die Hände Gottes zu befehlen. Und doch wird im Todtenbuche
eingetragen, dass der Verstorbene als ein um die hiesige Kirche wolver-
dienter Prediger derselben beinahe 23 Jahre würdig vorgestanden und
nun im 73. Jahre. in dem Herrn ‚entschlafen sei. — Eine tiefere De-
pression kirchlichen Gemeingefühls, bei welcher selbst das Bewusstsein
für die primitivsten Forderungen eines kirchlichen Decorums abhanden
gekommen ist, wird wol seit den Tagen der Reformation bei uns nicht
offenbar geworden sein. Da konnte ma wol von einer guten alten Zeit
reden, in welcher derartige Vorgänge nicht möglich gewesen wären.
Es stand wirklich besser um Hirten und Heerden hinsichtlich der
Erkenntnis dessen, was sich im Leben und im Sterben für evangelische
Christen schickt, als man 70 Jahre früher gelegentlich des Begräbnisses
eines mit Recht wol verdient zu nennenden Pfarrers derselben Gemeinde
in dasselbe Todtenbuch schrieb: Den 22, Octobris 1729 ist nach einer
langwierigen. ausgestandenen Krankheit in unserm Erlöser Christo Jesu
selig entschlafen der Hochwohlehrwürdige und Hochgelahrte Herr Joh.
Justus Ammonius, treufleissig gewesener Pfarrer, und den 26. Octobris
bei sehr volkreicher Versammlung in unsere allhiesige Stadtkirche be-
graben worden, alt 55 Jahre. —
Aber es dürfte sehr zu bezweifeln sein, ob jene aufgeklärten Pre-
diger in ihrer suffisanten Superklugheit geneigt gewesen sind, Vergleiche
zwischen sonst und jetzt zum Nachteil ihrer Zeit anzustellen.
Bei einem derartigen Uebermaas von kirchlicher Taktlosigkeit, wie
es auf Seiten der Geistlichkeit gelegentlich des hier berichteten Begräb-
nisses des Pfarrers Jonas Bauscher von Steinau zu Tage trat, will es
wenig besagen, wenn Inspector Merz einige Jahre vorher die Auf-
merksamkeit des Consistoriums auf die unpassende Erscheinung mancher
Prediger in der Oeffentlichkeit, namentlich der jüngern, glaubt hinlenken
zu müssen. Es braucht zwar nicht wie früher über rusticales Auftreten
geklagt zu werden, über Mangel an äusserm Anstand, bei dem man
zumalen in der Residenz in einer der Würde des Orts und des Standes
ganz unangemessenen Weise unreinlich und in unanständiger Kleidung
erscheine, — im Gegenteil, stutzerhafte Art und Weise sich aufzuspielen,
wird gerügt.
Das General-Decret vom 16, 6. 1790 lautet also:
Es ist zwar durch ein generale vom 20. 8. 1766 den evangelisch-
reformierten Predigern hiesiger Grafschaft u. A. aufgegeben worden,
nicht nur durch einen wolgesitteten‘ fremmen und gottseligen Lebens-
wandel Andern ein gutes Exempel zu geben, sondern dabei auch auf