Full text: Geschichte der Kirchenvisitationen der Hanauer ev. reformierten Kirche im 18. Jahrhundert, dazu: Geschichtliche Abhandlung über die Hanauer Quartal-Convente im 17. Jahrhundert

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offenbar nach rein äusserlichen Gesichtspunkten und ohne eigentlichen 
innern Zusammenhang erwählten Aneinanderreihung! Vielleicht war die 
Art, mit welcher Schiede seinen Visitanden sonderbarer Weise Texte 
zudiktierte, die Art und Weise überhaupt, wie sich die Pfarrer Texte zu 
ihren Predigten auswählten, deren sie in Anbetracht der noch zu ihrer 
Zeit das ganze Jahr hindurch zu haltenden Wochenpredigten, noch ein- 
mal soviel zu producieren hatten als wir heutzutage. Wenn dabei wenig 
Erspriessliches für den Aufbau der Gemeinde zu Tage gefördert wurde, 
so ist das leicht zu begreifen. Zwar gottbegnadigte Männer wie Schiede 
waren wohl im Stande, den Reichtum ihres in aufrichtige Gottesfurcht, 
lebendigen Glauben und ungefärbte Menschenliebe tiefeingetauchten 
Geistes an der Hand eines jeden Schriftwortes ohne Unterschied an 
den Tag zu bringen, aber die grossen Geister waren damals so gut wie 
heute dünne gesäet. Das ‘Beispiel, das Schiede mit seiner Textwahl 
gab, war in jedem Fall kein geschicktes. Es leistete einer Entartung 
der homiletischen Leistungsfähigkeit unter den Predigern Vorschub, die 
auf öde Battologie und leeres Phrasengeklingel hinauslief. Es war ganz 
natürlich, dass, wie wir oben vernommen haben, ernste Klagen über 
das schlechte Predigen der Pfarrer laut wurden. Die guten Alten, 
Grimm, Schiede voran, von denen der erste dicta probantia zur 
reformierten Dogmatik vor andern Worten der Schrift für wichtig und 
werthvoll zu halten scheint, homiletisch behandelt zu werden, haben das 
freilich nicht bedacht, nicht geahnt, aber die von ihnen beförderte Pre- 
digtart und -weise hat unzweifelhaft mit dazu geholfen, die Ohren der 
Hörer taub und die Gemeinde allmälig aus dem Worte Gottes hinaus- 
zupredigen. Spätere Geschlechter mussten es wieder lernen, in die 
Ohren der Menschheit zu greifen und ihnen mit der Gnade und Hülfe 
des heiligen Geistes ein kräfıiges Hephata in die Herzen hinein zu seuf- 
zen, indem es ihnen verstattet ward, denselben die reichen und uner- 
schöpflichen Schätze des ganzen Wortes Gottes, wie sie der Kirche 
namentlich in den Perikopen mit auf den Weg gegeben sind und die 
unter dem Elend des Rationalismus am Ende fast gänzlich verschüttet 
waren, wieder zugänglich zu machen. 
Das oben erwähnte Circularschreiben, mit welchem Schiede die 
Visitation ankündigte, auf der wir ihn im Geiste‘ begleitet haben, schloss 
mit dem Wunsche, dass Gott das ganze Vorhaben segnen möge. Leider 
ging dieser Wunsch nicht ganz so in Erfüllung, wie "er wol gedacht 
hatte. Sie sollte durch einen jähen Abschluss unterbrochen werden. 
Auf den schlechten Wegen in der Gegend von Oherkalbach, auf denen 
man ‘noch zu unserer Zeit am hellen Tage über Stock und Stein stol- 
pernd zu Schaden gelangen konnte, kam der Wagen, in dem Schiede 
reisete, zu Fall und zerschellte. Der Schmied des Dorfes kurierte den 
Wagen notdürftig — wie eine im Pfarrei-Archiv zu Oberkalbach aufge- 
fundene Rechnung besagt, aber den Leibesschaden, welchen der pflicht- 
eifrige, treue Mann davon getragen hatte, kurierte ihm Niemand. 
Schiede sah sich infolge dessen genötigt, sich als Inspektor seiner 
Diöcese emeritieren‘ zu lassen, und ist einige Jahre danach zur Ruhe
	        
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