Full text: Friedrich Wilhelm August Murhard

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lehren, als richtige Auffassung und echte umsichtige Würdigung. 
der Gegenwart und ihres Geistes, Folgen wir nicht diesem letzten 
Leitstern und diesem nur allein,unabhängig von den Daten der Ger 
schichte und Vergangenheit, dann wird uns manches als wohlerwWorbe- 
nes Recht erscheinen, was genau betrachtet doch nur aus Missbräu- 
chen stamut. Uberhaupt kann die Geschichte für den vernünftigen 
Staatsmann nie zum Leitstern für das dienen, was.er tun 8soll,son- 
dern nur zur Warnungstafel hinsichtlich dessen gebraucht werden, 
was er nicht tn soll"(ebd,429-30). Wenn also das Reformwerk in 
jedem Staate, der nur mit seiner Hilfe.der eigenen Idee entspre- 
chend zum Besseren fortschreitet (ebd.420), nach einem grundle- 
genden Maßgtabe sucht, so ist er nie in der Geschichte oder: im‘ 
Nesen und Stand der Vergangenheit zu finden £ebd.430),sondern in 
dem, „was mit der Vernunft und der Beschaffenheit der menschlichen 
Natur in Übereinstimmung steht", in den „Grundsätzen. des ewigen 
Rechts und der Humanit:t" (ebd,423), und „wer die Herstellung des 
Vernunftrechtes mit Beseitigung des Unrechts bezweckt,hat immer 
Recht, sein Unternehmen mag gelingen. oder einstürgen" (R.d.1.67). 
Yenn anders die Lehre der mit der Geschichte einen Kompromiss 
Schliessenden Justemilieumänner nicht recht eigentlich ein Flos- 
kelwerk für die „Halben, die Feigäinge und Arglistigen ist (Staats 
Lex. Reformen" Bü.11/433), so birgt Ihre Lehre stets die Gefahr 
jes Missbrauchs nach der Nichtung, wie sie eine gewisse Berliner 
Hofe= und Staatsphilosophie vertritt"(R.4.1.62); zumindest aber ist 
ihre Methode zu langsam und bringt stets nur halbe Massnahmen, 
ie verderblich aber ein solches Flickwerk zwischen Altem und 
Neuem ist,zeigen viele Repräsentativverfassungen,die darum nicht 
funktionieren,weil soviel des Alten in ihnen belassen (R.d,N.74); 
and andererseits müsste.man „die Augen zugeschlossen. haben, wenn 
man nicht sähe,dass man in Deutschland nicht so sehr die Neuerung®S- 
aucht zu befürchten hat als den Schlendrian” (Staatslex.„Ref.” 
30.11/431). Räumt man nur einzelne Übelstände weg, treten die 
anderen umso greller hervor. Das Alter irgend einer institution 
ist kein Hinderungsgrund; in der französischen Revolution hoh man 
am 4,August 1789 mit dem Lehnswesen eine Ordnung auf, die an ) 
1400 Jahre bestanden (R.d,N,71); tausend Jahre Unrecht machen. 
noch keinen Tag Recht (ebd.).„Der Glaube an unüberwindliche Schwie- 
rigkeiten....ist vielleicht @ines der vornehmsten Hindernisse ,wo- 
mit die deutsche Nation zu kämpfen hat,um sich zu @inem würdigen, 
ler Stufe ihrer Bildung angemessenen Öffentlichen Zustand durch 
zeitgemässe durchgreifende Reformen in den Staatsgesellschaftli- 
chen Einrichtungen zu erheben“ (Staatalex.„Ref. 11/434). / 
Es ist die von Rotteck vertretene Auffassung, zu der sich 
\Murhard bekennt: dem ewigen Rechte der Vernunft zur vollen Herr«- 
schaft zu verhelfen, womöglich überall und allsogleich" (Staatslex 
„Ref.“ 11/435). Zwar wehrt er sich gegen den Vorwurf, damit zur 
Revolution aufzurufen; nur dem Schlechten, gleichviei ob histo= 
risch oder nicht, soll der Kampf gelten und alles auf solchen Zu- 
ständen beruhende Privatrecht unangetastet bleiben oder abgelöst 
werden(ebd.437). Niemals aber darf es wie bei den Justemilieuleu- 
ben Grundsatz sein, dass alles mit Allmäklichkeit und. nur von oben 
komme, höchstens ist in dieser Art eine durch die Verhältnisse, 
zegebene „Limitierung" (ebd.435) zu sehen. Wenn jedoch alles Bätte: 
umsonst, dann tritt die Reform von unten üns Werk, ähnlich der 
Julirevolution (ebd.3 436),und wozu das Volk stets ein unveräusS- 
serliches Grundrecht hat nach Murhards Überzeugung wvie_an änderer 
Stelle schon ausgeführt worden ist, 
Dieses negative Mittehalten ist Murhard,ein bedauerli-= 
ches Zeichen von der geringen politischen 31 10un8 in Deutschland 
(R.d.N.400); in England oder Amerika, ja selbst in Frankreich wäre 
30 etwas unmöglich, dort weiss jede Partei,was Sie will und ist 
„durch keine Umstände. oder- Wechselfälle von ihren sich xLarbewuss- 
ten Grundsätzen abzubringen"(ebd.). Dem g°50DUbEr stellt urhard 
das Program des “echten"Liberalismus auf. Dieser echte Liberalis 
mus will zunächst allen, Revolutionen vorbeugen, und darum ist 68 
30 töricht, Liberale umd Demagogen für identisch, und Nänner,den 
„das Wohlergehen der Mänschheit und der Völker am Herzen 11088: 
ınd welche für dasselba streiten,für Feinde" der, Aronen zu halten 
(RedaN. VI): Dieser L1veraliemus richtet sich neben dem „Bestehen 
äen der Gegenwart" vor '’allem nach dem Seinsolienden, wobei er sich
	        
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