‚= Groß und edel wird die Landschaft. In gewaltiger Kehre schwingt der
Strom, und aus dem Walde tretend, haben wir bei der Teufelskanzel einen
unvergeßlichen Eindruck,
Zum Sehen geboren,
zum Schauen bestellt,
dem Turme geschworen
gefällt mir die Welt.
Berge stehen sich. gegenüber und schauen sich an. Der Hanstein und
der Ludwigstein. Hier ist der Höhepunkt der Wanderung. Der alte Ludwig-
stein ist Jugendburg geworden... Wanderselige und erlebensfrohe Jugend ist
es, die hier jeden Sommertag bis tief in den Herbst hinein mit freundlichem
Getöse erfüllt. Ein schönes Symbol unserer Zeit scheinen uns diese Wander-
burgen. Wie waren wir noch vor einem Menschenalter an Stuben gefesselt,
und wie anders ist unsere heutige Jugend, die voll stürmischer Freude hinaus-
drängt, die unbeschreiblich schöne Welt ganz zu erfühlen. Gesang und Klang der
Laute tönt um alte Mauern. Wir Alten freuen uns mit, wir fühlen ganz mit ihnen.
Gewaltig und in ergreifender Schönheit steht der alte Hanstein über
dem Tale, und die Reste noch zeigen uns ein ernstes und ritterliches Gesicht. Es
ist noch ein „Glanz wie von Gefahren‘ um diese Mauern. Die Sonne ver-
goldet den Stein, und Erinnerung überströmt uns, an Zeiten, da wir als Kinder
den Märchen lauschten: „Es war einmal.“
Wo vor‘ dem großen Kriege irgendwo im fernen Afrika ein deutscher
Farmer saß, da flogen seine Gedanken doch manchmal zurück in dieses Werratal.
Nach Witzenhausen, der vielhundertjährigen Stadt. Schön und still, als sei es
heute noch ein' Kloster, liegt hier die Kolonialschule am Strome, und schön
und still ist diese Stadt.
Witzenhausen ist nicht eben groß, aber aus jeder Ecke blickt uns Bedeutung
an, festgelegt in alten und schönen Bauten. Die Stadt pflegt diese Erinnerungen
und diese Werte mit großer Sorgfalt. Gotik ist uns hier erhalten in über-
raschenden Resten, und über dem Ganzen weht etwas friedlich Schönes, das
uns lange noch in der Erinnerung bleibt, besonders das Bild, das die Stadt
im Frühling bietet, wenn man vom Bahnhofsberge herabsteigt.
Gelassen zieht der Strom unter einer schönen Brücke dahin. Noch viele
liebe kleine Orte ’spiegeln sich in seinem Silber. Das Tal wird wieder ernst und
grün. Es grüßt der schöne Abschluß dieser Wanderung: Hannoversch-Münden.
Selbst der flüchtige Wanderer spürt, daß hier etwas Besonderes ist. Hier
schauen uns. wieder Türme hoch und seltsam an. Das Rathaus. steht
mit prächtigen Erkern und Treppen auf einem stillen Platz. Es ist sehr viel
Leben hier, aber dennoch schien uns der sonnige Herbsttag, den wir hier
verbrachten, von seltsamer Feierlichkeit erfüllt. Vielleicht geht diese
Feierlichkeit von der Stelle aus, da wir von der lieben Werra Abschied
nehmen müssen, da sie sich hier mit der Fulda trifft, am Weserstein. Was
ist es eigentlich weiter, zwei Ströme fließen zusammen ‚und sind nicht mehr.
Ihr Name verschwindet, sie sind ein Neues geworden, ein Größeres: die Weser.
Schiffe liegen am Ufer, und ihre Namen weisen auf die großen Häfen des
Nordens. Ein Anderes, scheint hier zu beginnen. Ist.es schon der Wind der
See, der über die Welle fährt? Wir gedenken der stillen Waldwiese, da die
Werra oben auf den Thüringer Bergen entsprang.
„Und war schon zum Untergange
In. einem anderen bestimmt.“
Paul Wolff.
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