all, wo man sich schlecht gegen das Militair betrüge, mit der größten Strenge verfahren
würde. Bisher wurden die Kriege gegen die Fürsten und gegen deren Bauern geführt; warum
soll man das nicht jetzt vorzüglich gegen Napoleon thun, der als Usurpator blos durch das
Militair herrscht. Gottlob ist man in Europa noch nicht auf den Gedanken gekommen, den
Gefangenen oder auch den Knaben im Feindeslande die rechte Hand abzuhauen oder wenigstens
zu lähmen – doch genug davon.
Es geht mir aber so, wie Dir, ich habe an keiner Arbeit mehr Lust und Freude. Sobald ich
irgend etwas über mein künftiges Treiben beschliesse, werde ich es Dir mittheilen.
In Bourdeaux sollen schon viele deutsche Kaufleute leben; wenn man nur Deinen Bruder
Karl in Ruhe seine Stelle entreten läßt. Descoudres war 8 Jahr zu Çette und ist gar sehr fran-
zosirt; Karl hat schon Eigenthümlichkeiten genug und wird daher die französischen so leicht nicht
annehmen.
Den Professor Görres habe ich zweÿmal besuchen wollen, ihn aber nicht zu Hause getroffen.
Ich bin ihm recht gut und lese seinen Merkur sehr gern. Der letzte Aufsatz über Hessen ist
sehr schön und wahr. Ich kann aber aus dem Deutschen Fürstenbunde nicht klug werden: entweder
sollte man Görres ein Dipplomatischen Wirkungskreis geben, oder seinen erstlichen Wor-
ten und Rathschlägen Gehör, oder aber ihm alles fernere Schreiben verbieten. Das letztere
wäre freilich die schlechteste Marsregel. Geschäftsmänner nach der alten Welt nennen ihn
einen Deutschen Jacobiner, und die Leute haben nach ihrer Art Recht. Die gebildete Classe der
Unterrthanen werden durch das erwähnte Blatt immer unzufriedener mit den Fürsten; die
Fürsten aber wenn sie nicht nachgeben wollen, immer mistrauischer; die Sache aber dadurch, wenn
die Stände sich nicht im Notfalle beÿ dem Kaiser beschweren können, viel schlimmer. Der Deutsche
Mann am Rhein wird kälter für die Deutsche Sache, wenn er hört oder liest, daß der Deutsche
Mann an der Weser oder an der Elbe /in Hannover/ keinesweges Ursache hat mit den Folgen
der glücklichen Vertreibung der Franzosen ganz zufrieden zu seÿn, um so mehr da diese Art von
Beschwerden unter der französischen Herrschaft, abgesehen von aller ihnen übrigen Schändlich-
keiten, gehoben war. Alles Menschliche ist unvollkommen! leider können wir uns dabeÿ nicht
so ganz beruhigen, wenn es so leicht scheint, manches fehlerhafte zu verbessern.
Daß Du lieber Schauspiele aufführen siehst als liesest, ich aber oft letzteres lieber thue, liegt
wieder in der Natur der Sache. Dich interessirt die äussere Darstellung und die Kunst mit welcher
der Schauspieler den Character seiner Rolle auffaßt und in das Leben überträgt; Du suchst
Ideale zu Bildern, welche Die Gemüthsverfassung jedem Kenner sofort dargstelten – mich inter-
(seitlich auf der rechten Seite)
essirt aber vorzüglich der Charakter, welchen der Verfasser der handelnden Personen beÿlegt, und wie er dieselben als Menschenkenner beÿ
den verschiedenen Ereignissen handeln läßt. Wenn das Stück gut aufgeführt wird, so sehe ich es freilich lieber als ich den todten Buchstaben lese,
und darin sind wir derselben Meinung; dann mußt die Täuschung so weit gehen, daß wir auf einige Zeit die Wirklichkeit vor uns zu haben glauben.