Full text: Brief von Franz Engelhard an Ludwig Emil Grimm

überall der Fall, und daher für den Künstler der Zeitpunkt nicht sehr günstig. Zu Brüs-
sel soll ebenfalls viel Lüpus und mit demselben auch Kunstsinn herrschen. So
viel ich weiß, ist dieser Ort Hauptsitz der hollündischen Schule gewesen, doch das schlägt
nicht in mein Fach.
Der Ton ist hier beÿ weiten nicht so französisch als zu Colln, Coblenz und in denStädten jenseits des Rheins. Schon vor der Besitznahme der Franzosen scheint man hierlocker und lustig gelebt zu haben. Der hiesige Aufenthalt ist für einen Fremdensehr angenehm, und verhältnißmäsig nicht theuer, sowie den überhaupt die Reiseden Rhein herunter mit geringen Kosten zu machen ist.
Wie kommt es denn lieber Ludwig,                                                                               
                                                                                                                                   
? Wann
werden wir uns wohl wiedersehen? Das mag Gott wissen; aber vielleicht recht bald,
wenn ich nämlich nach Berlin reisen muß. In mancher Hinsicht wäre es mir lieber
hier zu bleiben. Da Du mir nun einmal von dem breitschulterigen wohlgenährten
[...] Dr Bauer geschrieben hast, so sage mir auch: wie dessen praxis geht, versteht
sich von selbst die beÿ den Kranken ausser dem Hause. Grüsse Schotten von mir, wenn
du den Recken wiedersiehst.
Gehst Du noch fleisig ins Schauspiel? Hier kannst Du vielleicht eine Bekanntschaft
machen, die Dich als Künstler interessiert, nämlich die der Lehnchen Pfister eines sehr
vortrefflichen Mädchen von 16 Jahren herrlichem Wuchse und einem schönen natürli-
chen Anstande. Aber dies ist gar nicht leicht und Du darfst mich auch auf keinen Fall
verrathen. Wenn Du hierher kommst, so sollst Du auch einmal sehen, was ich hier
für eine schöne Bekanntschaft gemacht habe, ein Mädchen von 15 Jahren zum Ma-
len schön, von sehr fein von Gesicht und Körperbau und mit einem Paar schwarzer
brennenden großen Augen, wie man sie nur in Katholischen Ländern sehen kann.
Wenn ich ganz Italien durchreiste, fünde ich vielleicht kein in dieser Art so schönes
Bild. Ein sehr tiefes Gefühl, das sich ganz im Hintergrunde zu entzünden scheint, stralt
schwach aus von schönen kindlichen Gesicht, und macht einen sonderbaren sinnlich schönen Eindruck.
Das kann aber freÿlich nicht lange so bleiben; überhaupt findet man hier sehr wenige

(rechts an der Seite geschrieben)

kindliche Gesichter, sondern vielmehr von Leidenschaften verzerrte und stark markirte.
Grüsse Deine Geschwister und bleib mein Freund, wie ich stets seÿn werde   Dein Franz E.
Nächstens schreibe ich Dir vom hiesigen Carneval.

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