Da,mitten in der Hochblüte der Badestuben trat ein Ereignis ein,
das ihnen über Nacht den Todesstoß versetzte: Die Syphilis brach
über Europa herein. Sie kam als erstes Geschenk des neuentdeck-
ten Amerika mit den heimkehrenden Schiffen des Kolumbus nach
Spanien. Schlimmer als die Pest lief sie über alle Grenzen und
gelangte kurz nach 1500 auch nach Deutschland. Sie wirkte auf
den biologisch völlig unvorbereiteten damaligen Europäer meistens
tödlich. Unfaßbar schien den Menschen, daß die neckischen Spiele
in den Badehäusern Krankheit und Tod bringen sollte. Sie erahnten
plötzlich, daß sie wie im Paradiese gelebt und geliebt hatten, ohne
Angst und ohne Furcht. Mit einem Schlage hörte das Baden auf.
Aber es war zu spät. Die Syphilis hatte längst in alle Kreise Ein-
gang gefunden. Nicht nur der Bürger und der Hofjunker wurden von
ihr gepackt, auch vor dem Landgrafen selbst machte sie nicht halt.
Es ist bekannt, daß Landgraf Philipp der Großmütige, der Urenkel
des Badehausgründers, unter ihr ebenso litt, wie seine halbe Hofge-
sellschaft. Unter diesen Umständen war es natürlich vorbei init dem
fröhlichen Bade-Zeitvertreib.
Das finstere Mittelalter wird erst jetzt an seinem Ende wirklich
finster. Die sogenannte Neuzeit beginnt mit Angst und Aberglauben.
Und genau das ist es, was uns glauben macht, erst wir hätten die
Freuden des Badelebens erfunden.
Deshalb rufe ich Euch diesmal zu:
Freut Euch mit den Fröhlichen,
damals und heute erst recht!
In diesem Sinne, auf zum Zissel, ab nach Kassel!
G ünther. Lohrmann
Quellen:
Paul Heidelbach:
Joachim Fernau:
Kassel, Bärenreiter Verlag 1957
Und sie schämten sich nicht
Herbig Verlag München