Wie die Hauptstadt, so hat Hermann auch die meisten der übrigen nieder-
hessischen Städte jetzt derart in seiner Gewalt, daß diese selbst sich eifrig be
müht zeigen, den ihnen doch günstigen Sühneuertrag von 1378, der immer
noch ihrem Herrn schwer auf der Seele lag, aus der tUelt zu schaffen. Deshalb
kündigen die Städte am 4. Oktober auf Geheiß Hermanns den Markgrafen
die von ihnen übernommene Gewährleistung besagten Vertrags, indem sie
die darüber ausgestellte Urkunde für nichtig erklären, wenige Tage später
(den 9. Oktober) muß die Casseler Stadtbehörde bei den Thüringer Fürsten
über die „Vorwyseten uon Cassel, dy etzwan waren unse middeburger“,
daß sie der Stadt Briefe mit sich fortgenommen, Klage erheben und die Bitte
aussprechen, sie sollen sie, die rechtlos feien gelegt worden, weil sie gegen ihre
Eide gehandelt, nicht bei sich dulden, sowie insbesondere die mitgenommene
Vertragsurkunde wieder zurückstellen. Ein ähnliches Schreiben ergeht an die
Reichsstadt Mühlhausen. Tlur Eschwege zeigte sich unwillfährig, und auch hier
greift Hermann zu dem Mittel, den alten Rat durch einen neuen zu ersetzen.
Jn beiden Städten, Cassel wie Eschwege, war es wohl das handeltreibende
und durch den Handel wohlhabend gewordene Element, das der Gewalt
herrschaft widerstrebte, die den Ackerbauern immer mehr zugesagt hat. Doch
zählte auch unsere Stadt in der Hauptsache noch zu den ackerbautreibenden;
haben wir doch hier ritterbürtige Geschlechter gehabt, wie die Cangschenkel,
nach denen die Cangschenkelgasse in der Heustadt den Hamen führte, die
Familie Vor dem Tore (ante ualuam) u. a. m., 1 ) die mit Grundbesitz reichlich
angesessen waren, zu dieser Zeit aber entweder ausgestorben oder fortgezogen
sind. Vom Handel allein lebten die wenigsten in der Zeit vorwiegender
Haturalwirtschaft.
Die Beschäftigung Erzbischof Adolfs mit der großen Reichspolitik hatte
unserem Landgrafen noch freie Zeit gelassen, seine Stellung im Lande zu fe
stigen. Von seinen wenigen Freunden außerhalb aber ward Otto von Braun
schweig wieder untreu, als er durch Hermanns zweite Heirat feine Hoffnung
auf den Besitz eines großen Teiles von Hiederhessen schwinden sah, und ging
alsbald in das Lager der Gegner über.
dabei getrieben hättest, wären die Markgrafen Erben. Für uns ist besonders bemerkens
wert, was der Dichter in Strophe 314—319 dem Landgrafen vorwirft, das) er nämlich
weit mehr hiesige Bürger aus der Stadt verjagt habe, als er in seinen Briefen und Aus
schreiben angebe. Er zeiht ihn also direkt der Lüge, was auch zu dem Lharakter
Hermanns vollkommen paht. Der Rest des auf diesen bezüglichen Teiles des Liedes ist
in der Lesart verderbt und teilweise unverständlich, weshalb er hier fortblieb. Der
Dichter (oder Schreiber) dürfte im Süden Mitteldeutschlands zu Haufe gewesen sein.
1) Siehe Hebelthau, Denkw. der Stadt Cassel in Z. H. 6., S. 287f.
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