Full text: Geschichte der Residenzstadt Cassel

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Hermanns, durch Herbeiziehung von neuen, nur ihm ergebenen Leuten die 
Nacht der alten Geschlechter zu brechen, hat sich hier glänzend bewährt, und 
die Knebelung der hauptstädtischen Bürgerschaft hat ihm und seinem Hause 
bald die Herrschaft gerettet. 
Eine skrupellose Politik war es freilich, die er verfolgte, und die 
deutschen Städte mochten den Ausgang des Kampfes in Hessen mit wach 
sender Teilnahme verfolgen. Klar doch 1381 die Bereinigung des schwä 
bischen mit dem rheinischen Städtebund zustande gekommen; überall traten 
die Gegensätze scharf zutage, und eine schwüle Atmosphäre lagerte über dem 
ganzen Westen des Reiches. }n diesen Tagen des Ringens zwischen bürger 
licher Freiheit und fürstlicher Nachtvollkommenheit entstand ein sied, das 
Werk eines gewerbsmäßigen Poeten, der im Solde der Städte dichtete, so 
wie man heute etwa eine Zeitung den Interessen einer Partei dienstbar 
macht, und das scharfe Pfeile gegen den Hessenfürsten entsendet, wenn es 
dessen Politik in den Worten geißelt: 
Landgraf Herman von Hessenland, 
wer hat fromkeit von dir bekant? 
300 Ob ich dich gerne loben wolde, 
ich weiß nicht, wie ich anheben solde. 
Wolde ich fromkeit uon dir sagen, 
man schlüge mich an meinen kragen, 
wer nem mir die schmaheit abe? 
305 Das muste ich umb dein tugende habe! 
Nu solten doch im Hessenland, 
das ist öffentliche bekant, 
die marggrafen erben sein. 
An tribestu untrew darbei, 
310 da du gar hoch verbunden bist, 
und fingest eine kranke list: 
das land vorsehstu vor ein pfand: 
Otto von Brunschweig ist er genant. 
Die Caßeier hastu außgetreben 
315 in einer summe, die ist geschreben, 
Das dein offen briue sagen. 
Aber deine burger hört man clagen: 
Die summe uberfaren ist, 
das ist gar ein arger list, usw. — 1 ) 
1) Dieses Lied, abgedruckt bei Eiliencron, Volkslieder der Deutschen (Bd. 1, 
Tlr. 30) kennt (Str. 308) den Grbuertrag mit den Thüringer Landgrafen uon 1373, sowie 
(Str. 309—313) das Abkommen mit Otto dem Quaden, wodurch jener Vertrag illusorisch 
wurde. „An tribestu untrew darbei“ heißt: ohne daß . . ., wenn du nicht Untreue
	        
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