Full text: Geschichte der Residenzstadt Cassel

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darauf die Antwort, wollten die Thüringer nicht ablassen, ihn darum zur 
Rede zu stellen, so wolle er an gebührlicher Stätte, dahin er seine Herren und 
Freunde bringen könnte, mit ihnen zu tagen kommen und ihnen da Rede und 
Antwort stehen. Sonst aber werde er keinen der ihrigen in die Stadt Cassel 
hereinlassen noch erlauben, daß der Bürger einer mit ihnen rede. Da er sich 
der Stadtschlüssel bemächtigt hatte, so war er wohl in der sage, diese Drohung 
wahr zu machen. Als der Ort, den Hermann für den gebührlichen erklärte, 
konnte wohl nur ein Reichstag oder ein Fürstenkolleg am königlichen Hof ge 
meint sein. Die Städte an der Werra, witzenhausen und insbesondere Eschwege, 
haben in diesem Streit dem Candgrafen gegenüber so unverhohlen eine feindselige 
Haltung eingenommen, daß er sich offenbar dort bei einer etwaigen Zusammen 
kunft nicht sicher fühlte. Vor allem aber empfand er es als einen unerträglichen 
Eingriff in feine fürstliche würde und Hoheit, dalz man ihn den flüchtigen Bür 
gern gegenüber als Partei behandeln wollte. Dal; er, der ewig in Geldnöten 
Steckende, sich durch die ohne Urteil und Recht erfolgte Konfiskation der Güter 
der Entwichenen ins Unrecht gesetzt hatte, war gleichwohl nicht abzuleugnen. 
So nahm das Verhängnis seinen £auf. während die Markgrafen Friedrich 
und Balthasar sich an die Werrastädte, vielleicht auch noch an andere wandten 
und sie zu einer Tagung nach Eschwege einluden, um dem Sühnevertrag 
Geltung zu verschaffen, war Hermann eifrig bemüht, dieses Dokument, das 
er beschworen, wieder in seine Hand zu bekommen. Da die vertriebenen Bürger 
gewiss nichts unterließen, um den Hauptvermittler des Vertrags an feine Ge 
währleistung zu mahnen und gegen das ungesetzliche Vorgehen ihres seitherigen 
Candesherrn in ihrem Sinne Propaganda zu machen, so veranlaßte Hermann 
den neuen Rat von Cassel, an den zu Göttingen ein Schreiben zu richten, 
das diesem die Glaubwürdigkeit der Verbannten verdächtig zu machen und des 
Candgrafen Verhalten, der denselben ein Schiedsgericht angeboten habe, als 
korrekt und billig hinzustellen suchte. Mit welchem Erfolg, läßt sich denken. 
Das Zerwürfnis mit Thüringen war nach alledem unvermeidlich. Daß 
Hermann gleichwohl von seinem dynastischen Standpunkt aus Recht hatte, 
wenn er feine Städte rücksichtslos seinem willen unterzuordnen suchte, unter 
liegt keinem Zweifel, und die Kämpfe der nächsten Jahre haben dieser feiner 
Politik zum Siege verholten. 
Schwere Kämpfe freilich standen ihm bevor. Mehr als einmal war der 
Bestand des Hessenlandes gefährdet, und die Geschichte der Stadt Cassel ist in 
dieser Zeit enger denn je in die Schicksale des Landes verwebt, wir müssen 
deshalb eine kurze Darlegung der allgemeinen Tage der weiteren Erzählung 
vorausgehen lassen.
	        
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