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Budwig der Junker, der zu Grebenstein wohnte, einen Sohn, Hermann, der
für den geistlichen Stand bestimmt war und, nachdem er auf den hohen
Schulen in Frag und Paris den Grad eines Baccalaureus gewonnen, von den
Zeitgenossen mit dem Ehrennamen der Gelehrte geschmückt worden ist. 6r
war in Magdeburg uon seinem Oheim, dem Erzbischof Otto, in die Zahl der
dortigen Domherren aufgenommen worden in der Hoffnung, einst dessen Hack
folger zu werden. Doch hatte er die höheren Weihen noch nicht empfangen.
Andere männliche Deszendenz war, außer Heinrichs Brüdern, nicht vorhanden.
Die Chronikenfehreiber berichten, daß Otto der Quade sich das groß
väterliche Erbe durch eine herzlose Äußerung verscherzt habe. Jm Jahre 1367
zum Besuch am Hofe zu Cassel anwesend, habe er auf der Jagd am Wildsberg
bei Melsungen zu seiner Umgebung geäußert: „Wären zwei Augen tot, so
wollte ich wohl ein reicher Fürste fein." Diese Worte seien dem alten Band-
grafen, der seinen Enkel-gern als Nachfolger gehabt habe, hinterbracht und
so übel aufgenommen worden, daß er gesagt habe: „Die Rede soll meinem
Enkel das Band schaden." Der Bericht, wenn auch sagenhaft ausgeschmückt,
entbehrt nicht der inneren Wahrscheinlichkeit, da uns die Hamen der Ritter,
die die Worte gehört und hinterbracht haben, genannt werden: sie hießen
Simon von Homberg und Eckhart von Hörenfurt. Der gleichzeitige Hin
weis dieser Herren, daß die Nachfolge Ottos ein großes Tlbel im Bande zu
richten werde, und daß zudem noch ein rechtmäßiger Erbe und geborener
Bandgraf zu Hessen, nämlich seines Bruders Budwig eheleiblicher Sohn, vor
handen fei, diese Erinnerung und Nachdenken der Sache, heißt es weiter, 1 )
was nämlich vor Uneinigkeit und Zwiespalt aus einer solchen Sukzession und
Entwendung der Erbschaft vermutlichen zu befahren, haben den Alten dahin
bracht, daß er, aus Zorn und Billigkeit bewogen, alsbald vorigen Beschluß
und Meinung zu ändern angefangen. Das Bedenken, daß Hermann nicht
fein Nachfolger werden könne wegen feines geistlichen Standes, fei durch den
Hinweis, daß er ja die höhere Weihe noch nicht empfangen habe, zerstreut
worden, und so habe er diesen kommen lassen, den er zuvor wenig habe
leiden mögen?) Die Beurteilung seines Neffen, wenn sie Tatsache ist, würde,
nebenbeigesagt, sehr für den Charakter des alten Herrn sprechen.
Wir stehen wieder vor derselben Frage wie zweimal zuvor: was wäre 1 2
1) Siehe XUilh. Vilichs Hessische Chronik 1608, S. 128 f.
2) Dergl. Schulz, Faul: Hessisch-Braunschweigifch-Tlainzische Politik in den Jahren
1367—1379, mit besonderer Berücksichtigung des Hainzer Bistums-Streites. IVolfenbüttel
1895, S. 22 f. u. Anm. 51. — Küch, Fr.: Beiträge zur Geschichte des £. Hermann II.
von Hessen. (Z. H. G., Bd. 17, S. 415.)