Full text: Geschichte der Residenzstadt Cassel

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6 Stadtgemeinde nicht nur in Zivil-, sondern auch in einfacheren Kriminal- 
£\ fällen für selbständig erklärte. 
g Daß Cassel ein aufblühendes Gemeinwesen war, zeigt nichts besser als 
Ö der Heid und die Eifersucht des benachbarten Münden. Diese Stadt war auf 
noch unaufgeklärte Weise nach dem Aussterben der Thüringer und in dem 
hessisch-meißnischen Erbfolgestreit von Herzog Otto von Braunschweig in 
| Besitz genommen worden. Der Übergang dieser durch ihre sage an der 6a- 
@ belung der Werra und Fulda äußerst wichtigen Stadt an ein fremdes Terri- 
torium war ein harter Schlag für Hessen, und die Folgen zeigten sich, als im 
Jahre 1316 die Bürger von Münden ein angebliches Privileg Herzog Ottos 
| mit der mindestens fragwürdigen Datierung vom 7. März 1246 hervorholten, 
8 wonach alle die Stadt passierenden Fahrzeuge genötigt werden, ihre Eadung 
daselbst zu Kauf und Verkauf auszulegen, „damit die Stadt davon gehoben 
werde". Ob man nun schon über ein halb Jahrhundert von diesem sogenannten 
H Stapelrechtsprivileg nichts gehört hatte, wurde selbiges auf einmal im Jahre 
@ 1316 hervorgeholt und gegen Cassels Bürger und Handelsleute in der Weise 
geltend gemacht, daß diese das Salz, welches sie von Soden bei Allendorf die 
Werra abwärts und die Fulda aufwärts zu Schiffe führten, in Münden aus 
laden und zur Hälfte dort verkaufen mußten. Auf die Klage der Bürger bei 
sandgraf Otto führte dieser einen Gegenschlag, indem er den Mündener Han- 
g delsleuten, wenn sie mit Kaufmannsgut nach Cassel kamen, den gleichen 
0 Stapel bezüglich aller Waren auferlegte. Jndessen war Münden der stärkere 
Teil vermöge seiner günstigeren sage, und die Folge war, daß die dortigen 
Schiffer mit Hilfe ihres Privilegs die gesamte Spedition auf den damals noch 
H (wie es scheint) wasserreicheren hessischen Flüssen an sich rissen, worüber der 
Streit bis in die zwanziger Jahre des vorigen Jahrhunderts gedauert hat. 
v Als Knotenpunkt wichtiger Handelswege behielt Cassel dabei immer seine 
@ Bedeutung. 
Wie überall, war auch in hiesiger Stadt die erste Gilde, sowohl zeitlich 
wie dem Hange nach, die der Gewandfdmeider oder Hansegreben, der Kauf 
es leute in des Wortes eigentlichster Bedeutung. Sie waren schon lange vor dieser 
Zeit, vermutlich seit der Erteilung des Stadtrechts, zu einer Bruderschaft 
zusammengeschlossen — war doch, wie Ed. Schröder erwiesen hat, der Begriff 
0 Kaufmann und Stadtbürger in alter Zeit sich deckend. Jhre Rechte und Ge 
wohnheiten, wohl aufgeschrieben und beglaubigt, waren ihnen aber bei einer 
0 Feuersbrunst zerstört worden, und so wurden sie im Jahre 1323 von neuem 
aus dem Gedächtnisse aufgezeichnet. Die Urkunden, die erste wie die zweite, 
waren, was für die selbständige Stellung der hiesigen Stadtbehörde von tUich- 
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