Full text: Geschichte der Residenzstadt Cassel

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und herwogte, verbreitete sich das Gerücht, daß der Kurfürst die Depu 
tationen von Marburg und Hanau in der Audienz hart angelassen habe, und 
das; wenig Aussicht auf Genehmigung der Forderungen vorhanden sei. Darauf 
ward alsbald eine Volksversammlung in den Holländischen Hof einberufen, 
in der Obergerichtsanwalt Henkel eine Petition vorlegte, welche von der 
wohl 2000 Köpfe zählenden Versammlung einstimmig angenommen wurde. 
Diese im echten Volkston gehaltene Petition sagte ungeschminkt die Wahrheit 
und übte in unverblümter Sprache eine einschneidende Kritik an der bis 
herigen Kegierungsweise. Nachdem der Landesherr aufgefordert worden, die 
falschen Katgeber zu entfernen, welche der Verfassung und dem Fortschritt 
feindlich gesinnt seien, und sich mit Männern zu umgeben, die das Verlangen 
des Volks, das; die Verfassung endlich zur Wahrheit werde, erfüllen würden, 
klang sie in die Forderungen aus: Freiheit des Wortes, Freiheit der Religions 
übung, Öffentlichkeit und Mündlichkeit der Rechtspflege, Schwurgerichte; 
Ginschränkung der Polizeigewalt. Ferner um das Vertrauen zur Recht 
sprechung wieder herzustellen, Mitwirkung der Stände bei der Besetzung des 
Oberappellationsgerichts und Enthaltung von aller Wahlbeeinflussung bei 
den Wahlen zur Volksvertretung, „wir sind überzeugt,“ heisst es am Schluß, 
„es find dies die besten Mittel, die Eintracht zwischen Fürst und Volk herzu 
stellen und zu befestigen, allen Stürmen der Zeit aber, sie kommen von innen 
oder von außen, einen unerschütterlichen Damm entgegenzusetzen, weit 
entfernt, Ihren Thron dadurch zu gefährden, werden Sie solchen vielmehr 
dadurch auf einen unerschütterlichen Felsen, auf die Liebe Ihres Volkes, 
bauen. Geben Allerhöchftdieselben uns eine entsprechende Zusicherung, 
so werden Sie sehen, welcher Jubel Jhnen aus dem ganzen fände entgegen 
schallen wird! 
In dieser Zuversicht unterzeichnen sich 
Cassel, den 5. März 1848 
Ew. Königlichen Hoheit alleruntertänigste usw.“ 
Das Schriftstück war bald mit zahlreichen Unterschriften bedeckt, und 
außer dem Verfasser wurden der Kommandeur der Bürgergarde, Maurer 
meister Seidler, und der Küfermeister Herbold gewählt, dasselbe am folgenden 
Tage dem Kurfürsten zu überreichen. Da Herbold aus persönlichen Gründen 
ablehnte, wurden Henkel und Seidler allein bestimmt, festerer als Oberst 
der Bürgergarde faßte alsdann in lebhafter Rede die Möglichkeit eines Zu 
sammenstoßes mit der bewaffneten Macht ins Auge; er sei mit vielen anderen 
überzeugt, sagte er, daß ein großer Teil der Offiziere über die Reaktion genau
	        
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